Richter will "Putzi"-Verfahren einstellen

Dresden. Mehrere Tage hatten die Aktivisten die Putzi-Villen auf der Königsbrücker Straße in der Dresdner Neustadt besetzt, bevor die Polizei anrückte und die leerstehenden Gebäude durch ein Sondereinsatzkommando räumen ließ. Nun, rund vier Monate später, stehen zwei der Besetzer vor Gericht. Sie wären beinahe straffrei aus der Sache rausgekommen. Aber das wurde zunächst vereitelt.
Vor dem Dresdner Amtsgericht hat am Montag der Prozess gegen den "Koala" und das "Opossum" begonnen. Die beiden Besetzer Linda K. (30) und Alesandro Benjamin F. (31) steckten während der Aktion in Tierkostümen, wie mehrere der Besetzer. Ihr Ziel war es unter anderem, ein Wohnprojekt, ein kulturelles Zentrum und einen Ort der unkommerziellen Bildung zu schaffen. Nun müssen sie sich wegen Hausfriedensbruchs und Sachbeschädigung verantworten.
Vor Verhandlungsbeginn versammelten sich am Montagmittag schätzungsweise 60 Menschen, um den Angeklagten beizustehen und nochmals auf die Ziele der Hausbesetzung aufmerksam zu machen. "Gemeinsam gegen Verdrängung und Mietenwahnsinn" war auf einem Transparent zu lesen, das vor dem Gerichtsgebäude an der Roßbachstraße gespannt wurde. Teilnehmer erschienen wieder in Tierkostümen - ein Einhorn und ein Pinguin waren dabei - sprachen davon, dass Besetzungen legitim wären.

Was den Richter beeindruckte
Zur Verhandlung sind rund 20 Interessierte nicht hineingelassen worden, um den Mindestabstand im Zuschauerbereich zu wahren. Darunter befanden sich einige, denen wohl ebenfalls noch ein Prozess wegen der Hausbesetzung droht.
Von Beginn an waren die Fronten geklärt. Der Staatsanwalt machte deutlich, dass er auf Strafen wegen Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung bestehe. Beide sollten jeweils 1.000 Euro Strafe zahlen.
K. und F. verlasen eine Erklärung, dass sie gegen die Gentrifizierung der Äußeren Neustadt sind, gegen ständig steigende Mieten und dafür, dass wenigstens Teile für die Allgemeinheit erhalten werden sollten. "Putzi hat gezeigt, dass Menschen etwas verändern können", so der gelernte Einzelhandelskaufmann F. Die ehemalige Pharmazie-Studentin K. ergänzte: "Wenn das eine Straftat ist, dann werden wir noch ziemlich häufig gegen das Gesetz verstoßen."
Nachdem die beiden Besetzer noch das Nutzungskonzept erklärt hatten, zeigte sich Richter Arndt Fiedler beeindruckt. "Es heißt ja immer, die Jugend heute sei politisch nicht interessiert. Was Sie hier vorstellen, ist durchaus durchdacht", so Fiedler. "So engagierte junge Leute sind lobenswert."
Später führte Fiedler noch aus: "Ganz viel Respekt für diese jungen Erwachsenen, das ist ein beeindruckender Kampf gegen Gentrifizierung gewesen." Die Tierkostüme seien "eine lustige Idee" und sie "interessieren sich für ihren Stadtteil". Fiedler schlug vor, das Verfahren wegen Geringfügigkeit einzustellen.
Wer ist Eigentümer?
Doch darauf ließ sich der Staatsanwalt nicht ein. Er könne einer Einstellung nicht zustimmen, schließlich hätten die Besetzer gedroht, mit mindestens 21 Personen das Areal und zwei der drei Häuser besetzt, einen Schaden von 12.000 Euro angerichtet und sich dann noch der Polizei widersetzt.
"Dafür brauche ich aber die Zustimmung der Staatsanwaltschaft", betonte Richter Fiedler, als er erklärte, dass nun weiter verhandelt werde. K.s Anwalt Oliver Nießing machte die Diskussion auf, dass bereits der Strafantrag nicht rechtmäßig sei. "Hausfriedensbruch ist ein absolutes Antragsdelikt." Besetzer rechtlich zu belangen, könne nur der Eigentümer beantragen.
Der Strafantrag wurde laut Akten von einem Vertreter der Münchner Argenta internationale Anlagegesellschaft gestellt. Diese gehört dem Multimillionär Helmut Röschinger. Eigentümer des "Putzi"-Areals ist laut Argenta-Homepage aber die Dental-Kosmetik Dresden, eine Tochter der Argenta. Laut Nießing hätten demnach nur Dental-Chefin Britt Nicole Schendekehl und Röschinger selbst Strafantrag stellen dürfen.
Schendekehl habe bei einer vorherigen Besetzung im Juni 2019 bereits zum Ausdruck gebracht, sie habe kein Interesse an einer Verfolgung von Besetzern.
Nun sollte die Aussage des Einsatzleiters der Polizei Licht ins Dunkel bringen. Dieser sollte genau beschreiben, wie es zu der Anzeige kam. Der sagte aus, dass die Polizei den Kontakt zum Eigentümer gesucht habe. Das war auf Nachfrage der Vertreter der Argenta. "Es war ja nicht davon auszugehen, dass der Eigentümer mit der Besetzung einverstanden ist", so der Einsatzleiter.
Die Polizei konnte aber nur mit einer Anzeige eingreifen. "Der Strafantrag wurde demnach nur mit sanftem Nachdruck der Polizei gestellt", ordnete Richter Fiedler ein. Er unterstrich, dass die Staatsanwaltschaft doch nochmal über eine Einstellung des Verfahrens nachdenken solle.
Entschieden werden konnte zunächst nichts. Jetzt erhält Röschinger einen Brief von Richter Fiedler, um zu klären, ob der Argenta-Vertreter, der im Januar in Dresden war, für Argenta und Dental-Kosmetik entscheiden durfte. Außerdem wird der Unternehmer direkt gefragt, ob er Interesse daran hat, dass die Besetzer strafrechtlich verfolgt werden.
Das Grundstück war vom 17. bis zum 22. Januar dieses Jahres besetzt worden. SEK-Beamte holten schließlich Teilnehmer von den Dächern und Bäumen. Die Staatsanwaltschaft hatte daraufhin Ermittlungen gegen 21 Menschen eingeleitet.