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"Ausländer kriegen alles hinterher geschmissen"

Rassismus: Rasha Nasr wurde schon mehrfach beleidigt. Die Zahl Angriffe zeigt, dass sie in Dresden lange kein Einzelfall ist.

Von Julia Vollmer
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Rasha Nasr musste schon mehrfach Alltagsrassismus in Dresden erleben.
Rasha Nasr musste schon mehrfach Alltagsrassismus in Dresden erleben. © Julian Hoffmann

Dresden. "Du bist ja ganz süß, aber schade, dass die Farbe beim Waschen nicht mit abgegangen ist.“ oder „Wenn wir alleine wären, würde ich deinen Ausländerarsch verprügeln.“ Beleidigungen wie diese musste sich Rasha Nasr schon anhören. Mitten in Dresden. Beim Einkaufen, auf der Straße oder in der Straßenbahn.

Seit dem Mord an George Floyd in den USA ist das Problem Rassismus wieder Thema in den Debatten. Doch nicht nur in den USA, auch in Dresden werden immer wieder Menschen Opfer rassistischer Übergriffe und Beleidigung. Menschen wie Rasha Nasr. Sie ist 1992 in Dresden geboren, ihre Eltern wanderten 1986 aus Syrien in die DDR ein. "Ich bin in einem kleinen Dorf nahe Wilsdruff aufgewachsen. Ich habe mich nie „anders“ gefühlt, obwohl ich das einzige ausländische Kind an meiner Grundschule und an meinem Gymnasium war", sagt sie heute. Ihr sei immer bewusst gewesen, dass sie andere Wurzeln als ihre Freunde habe. "Das hat aber nie jemanden gestört, wieso auch. Kinder stören sich nicht an Oberflächlichkeiten", erinnert sie sich. Dass sie „anders“ aussehe, und das sogar was schlechtes sein könnte, habe man ihr erst mit dem Umzug nach Dresden und dem Entstehen von Pegida eintrichtern wollen. "Seitdem will mir ständig jemand weismachen, dass ich nicht dazu gehöre". Nicht nur Beleidigungen muss sie sich anhören. Sie erinnert sich an ein Erlebnis an einer Haltestelle in der Stadt. "Es kam eine Gruppe junger Menschen auf mich zu, ein junger Mann „stolpert“ und verschüttet seinen Kaffee „aus Versehen“ auf meiner weißen Bluse". Als sie sich aufregt, sagt der junge Mann. „Hab dich nicht so, jetzt passt die Bluse wenigstens zur Hautfarbe“. Niemand an der Haltestelle habe ihr geholfen, viele haben nur zugeschaut.

Es ist erschreckend, wie viele Situationen Rasha Nasr schon erleben musste. Vor zwei Jahren auf dem Weg zu Arbeit, Nasr arbeitet für die SPD und sitzt für ihre Partei auch im Stadtbezirksbeirat, erlebte sie den Alltagrassismus hautnah. "Ich fahre mit dem Rad an zwei Damen vorbei, die vorher auf dem Radweg standen. Plötzlich schreit eine der Beiden: „Kann ja wohl nicht wahr sein, diese Ausländer, die hat sogar ein eigenes Rad! Die kriegen einfach alles hinterher geschmissen“" Sie erinnert sich, dass sie in dem Moment unter Schock stand und die Frauen nicht zur Rede stellen konnte. "Ich wollte so schnell wie möglich raus aus dieser Situation und bin schnellstmöglich zur Arbeit geradelt."

Doch es Rasha Nasr erlebt auch Situationen von Alltagsrassismus, bei denen es der Gegenüber gar nicht böse meint, es aber trotzdem rassistisch bleibt. Sie erinnert sich an ein berufliches Gespräch. "Alles lief gut, mittendrin stoppt er das Gespräch und fragt: „Sagen Sie mal, woher können Sie eigentlich so gut Deutsch? Sogar mit sächsischem Akzent? Wo haben Sie das gelernt?“.

Auch Emiliano Chaimite, Vorsitzender des Vereins Afropa erlebt immer wieder Alltagsrassimus in Dresden. Er ist 1986 aus Mosambik hierhergekommen. "Wenn man am hellichten Tag am Bahnhof gezielt kontrolliert wirst, weil du schwarz bist oder wenn dir aufgrund deines Akzentes am Telefon erklärt wird, dass wir in Deutschland sind", sagt er, der am vergangenen Samstag auch bei der Demo gegen Rassismus auf dem Altmarkt gesprochen hat.

Auch die Beratungsstelle RAA Dresden weiß, Rassismus ist kein Problem nur in den USA, sondern auch in Sachsen und in Dresden. 2020 zählt sie schon 27 rassistische Angriffe, 2019 118 in Dresden. „Trotz des Rückgangs im Vergleich zum Vorjahr bewegt sich die Zahl rechtsmotivierter und rassistischer Angriffe in Sachsen seit Jahren auf einem anhaltend hohen Niveau", so Andrea Hübler, Fachreferentin im Projekt Support für Betroffene rechter Gewalt des RAA Sachsen. Abgesehen von anlassbedingten Ausschlägen nach oben werden durchschnittlich rund 240 Angriffe im Jahr in Sachsen verübt.Die Fachberatungsstelle Support für Betroffene rechter Gewalt des RAA Sachsen seit 2005 Opfer rechtsmotivierter und rassistischer Gewalt bei der Bewältigung der Tatfolgen und dokumentiert darüber hinaus diese Angriffe. Im Jahr 2019 konnte sie sachsenweit in 254 Beratungsfällen beratend zur Seite stehen.

Auch Mozafar Heyrani vom Sächsischen Flüchtlingsrat musste Rassismus in Dresden erleben. "Ich war im Januar 2017 mit meiner Mutter auf der Prager Straße
unterwegs. Plötzlich rief eine Passantin 'Ach du Scheiße, die sind überall!'". Als er das Gespräch suchte, kam ein anderer Passant und fing an, ihn zu schubsen und drohte, so erinnert sich Heyrani, ihm ins Gesicht zu schlagen. Der Betroffene rief die Polizei. Doch der Mann schlug weiter auf ihn ein. "Ich wurde nachher im Krankenhaus behandelt, die Opferberatung der RAA hat mich dann beraten und erst dann wir haben Strafanzeige erstattet."

"4.000 Menschen in Dresden, weitere Tausende in Leipzig und Chemnitz, waren am Samstag auf der Straße um ein Zeichen gegen individuellen und strukturellen Rassismus in Deutschland und der Welt zu setzen. Dabei darf es aber nicht bleiben", fordert Grünen-Stadträtin Andrea Mühle. Als erstes gelte es den Betroffenen zuzuhören und sich selbst und das eigene Handeln immer und immer wieder zu hinterfragen. Es brauche Bildungs- und Weiterbildungsangebote sowohl in den Schulen als auch für staatliche Institutionen.

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