Wie dieser Dresdner zum Dudelsack kam

Aus dem Rosengarten schallt der Grundton B-Dur bis in die Altstadt auf der anderen Elbseite hinüber. Kaum ein Instrument macht so unmissverständlich auf sich aufmerksam wie der schottische Dudelsack.
Noch bis vor Kurzem hätte Robert Leuschner für seinen kleinen Auftritt hier womöglich Ärger bekommen können, denn laut Stadtmusikverordnung war Dudelsackspielen in der Öffentlichkeit lange Zeit untersagt. Inzwischen wurden die Regeln gelockert. Der 30-Jährige weiß natürlich selbst am besten: Für die sanfte Hintergrundmusik für den Touristenbummel taugt sein Instrument eher weniger. Mit seinen durchschnittlich 120 Dezibel kann es der Dudelsack lautstärkemäßig locker mit einem Presslufthammer aufnehmen. „In Schottland diente das Instrument ja früher durchaus auch als Kommunikationsmittel“, sagt Leuschner. So mancher Highlander habe mit den grellen Lauten den Feind einschüchtern wollen.
Dudelsäcke, oder Sackpfeifen, in den unterschiedlichsten Ausführungen sind seit Jahrhunderten in ganz Europa weit verbreitet. Dass einem heute zuerst der schottische Dudelsack in den Sinn kommt, liege vor allem an der britischen Militärmusik, die diese Version weltweit besonders populär gemacht hat. Das alles erzählt Robert Leuschner, während er vormittags entspannt im Schatten eines Pavillons im Rosengarten an der Elbe sitzt. Anders als früher, kann er sich seine Zeit heute selbst einteilen. Für ihn ist das ein Geschenk. Doch für dieses Geschenk musste er lange und hart arbeiten.
Gebürtig stammt Leuschner aus einem Dorf in Thüringen. Für seinen Zivildienst kam er 2009 nach Dresden – und gärtnerte ein Jahr im Pillnitzer Schlosspark. Dresden gefiel ihm. Er blieb hier und machte eine Ausbildung zum Konditor. Inzwischen wohnt er in der Neustadt. „Ich genieße es, auch mal Leute zufällig auf der Straße zu treffen“, sagt er. Auf dem Dorf sei das unwahrscheinlich. Dort hätte man eher noch per Dudelsack kommunizieren können.
Bis er 17 war, hatte Robert Leuschner nie ein Instrument in den Händen gehaltem. Als Jugendlicher sei er aber oft zu Konzerten der Mittelalter-Rockband In Extremo gegangen. Den Sound behielt er im Ohr und irgendwann fanden der schottische Dudelsack und er auf wundersame Weise zueinander. „Ich wollte aber nicht einfach ein Instrument spielen, sondern ich wollte Musik machen.“ Besonders die ganze alten und die modernen schottischen Klängen interessierten ihn.
Unterricht nahm er kaum, absolvierte aber einige Workshops und eignete sich ansonsten alles selbst an. Anfangs übte er die nötige Fingerfertigkeit noch auf einer Übungspfeife. Erst dann nahm er den Sack hinzu, der zwischen Arm und Körper eingeklemmt wird. „Das Geheimnis ist, den Druck im Sack möglichst konstant zu halten“, erklärt er. Dann sei es auch nicht mehr nötig, bis zum Umfallen Luft aus dem Bauch zu holen oder die Backen aufzublasen, bis sie irgendwann wie bei einer Bulldogge im Gesicht hängen.
Grundsätzlich sei der Dudelsack ein sehr rudimentäres Instrument, dem man gerade mal neun verschiedene Töne entlocken könne. Gerade dieser Fakt führe jedoch dazu, dass viele sich ein Instrument kaufen und zu spielen beginnen, die sich vorher noch nicht einmal mit dem richtige Stimmen vertraut gemacht haben. „Solche schiefen Töne hört man leider viel zu oft.“
Lieblingssack aus Gore-Tex
Je intensiver sich Leuschner mit der Dudelsackmusik beschäftigte, desto mehr wurde ihm bewusst, dass sich mit diesem Hobby durchaus auch Geld verdienen lässt. Er baute sich eine Website auf. Heute spielt er in drei verschiedenen Bands, Zweimal Mittelalter, einmal irisch. Dementsprechend viel ist er abends unterwegs. Viele der sogenannten Mittelalterfeste, die sich inflationär ausbreiten, seien ihm heute allerdings zu kommerziell. „Motivation ist mir da wichtiger als der Geldbeutel.“ Apropos Geldbeutel. Auch solo kann man ihn buchen, zum Beispiel für eine Hochzeit. Allerdings muss er die meisten Anfragen inzwischen aus Zeitgründen ablehnen.
Für seine Auftritte zur Auswahl stehen ihm inzwischen neben einigen irischen Pfeifen sechs verschiedene Dudelsäcke. Sein besonderer Liebling hat einen Sack aus atmungsaktivem Gore-Tex. Das Leder ist nur aufgeklebt. Dafür hat der Sack einen Reißverschluss. „Dadurch lässt er sich viel leichter reinigen und trocknen“, sagt er. Die feuchte Atemluft müsse regelmäßig raus, damit das Instrument nicht leide.
Das Konditorhandwerk hat ihn dennoch nie ganz losgelassen. Seit zehn Jahren zaubert Leuschner für das Neustadt-Restauraut Raskolnikow Pelmeni unterschiedlichster Art. Anfangs hatte er hier nur gespült, bis sein kulinarisches Talent entdeckt wurde. Seine Chefin hat mal ausgerechnet, dass er insgesamt schon um die zwei Millionen Pelmeni zubereitet haben muss. Die Arbeitszeiten kann er sich selbst einteilen. „Der Job hat mir überhaupt erst die Freiheit gegeben, um Musik machen zu können“, sagt er heute. Deswegen will er dem Raskolnikow weiterhin treu bleiben.
Pelmeni und Dudelsack. Das klingt doch nach Völkerverständigung. Vor allem aber klingt es nach einem gelebten Traum.