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"FDP muss ihr Verhältnis zur AfD klären"

Die Wahl von Thomas Kemmerich (FDP) zum Thüringer Ministerpräsidenten sorgte auch in Dresden für Proteste und Schaden für die Partei. Wie die FDP reagiert.

Von Andreas Weller
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Dresdens FDP-Chef Holger Hase will das Verhältnis seiner Partei zur AfD klären.
Dresdens FDP-Chef Holger Hase will das Verhältnis seiner Partei zur AfD klären. © Sven Ellger

Am Abend nach der Wahl von Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten von Thüringen mit den Stimmen der AfD riefen Grüne Jugend, Jusos und Linksjugend zu Demonstrationen auf.

Ziel war das Liberale Haus, die Parteizentrale der FDP an der Radeberger Straße. "Keine Macht dem Faschismus", lautete das Motto der Grünen Jugend.

In der Nacht zu Donnerstag warfen dann Unbekannte Christbaumkugeln, die mit blauer Farbe gefüllt waren, gegen die Fassade des FDP-Baus. Ob dieser Farbanschlag mit den Demos in Zusammenhang steht, dazu ermittelt nun der Staatsschutz. Die Polizei sucht Zeugen. Der Vorfall ereignete sich laut Polizei zwischen 23 und 9 Uhr.

Sorge statt Freude

Die Dresdner FDP hat nicht nur an ihrer Zentrale Schaden genommen. "Was hat man von so einer politischen Persönlichkeit?", fragt Dresdens FDP-Chef Holger Hase mit Blick auf einen Ministerpräsidenten, der auf diese Weise ins Amt gekommen ist. "Man muss sich immer erklären."

Deshalb empfinde Hase auch keine Freude, dass die FDP einen Ministerpräsidenten stellt, zumal dieser einen Tag nach der Wahl zurücktreten musste. "Ich sorge mich darum, wie es weitergeht."

Hase sagt aber auch klar: "Herr Kemmerich weiß, was er sich angetan hat." Das sei Anlass, innerhalb der FDP über die AfD zu reden. "Die FDP muss ihr Verhältnis zur AfD klären. Das hätte passieren müssen, bevor es zu so etwas kommt." Das kritisiere Hase schon lange - auch in Richtung Bundes-FDP. Bisher gelte, es gebe keine Zusammenarbeit mit der AfD, aber das reiche nicht.

Der Dresdner FDP-Chef werde das nun für die FDP hier in die Hand nehmen. "Wir müssen auf dem nächsten Parteitag diskutieren, wie wir es mit der AfD halten", fordert Hase. Der ist für Ende März geplant. "Solange im Dresdner Stadtrat Populisten den Ton nach außen bestimmen, machen auch Gespräche mit der AfD keinen Sinn." 

Es sei aus Hases Sicht aber auch falsch, konkrete Vorschläge der AfD abzulehnen, nur weil sie von der AfD sind. "Wenn es beispielsweise um einen Parkplatz geht. Aber sobald es um die Weltanschauung geht, ist eine rote Linie überschritten."

Ein ähnliches Manöver wie in Thürigen befürchtet Hase seitens der AfD im Dresdner Stadtrat aber nicht. "Dann müsste die Dresdner CDU  auch gemeinsame Sache mit der AfD machen, die Gefahr sehe ich hier nicht." Die Dresdner FDP werde da sowieso nicht mitmachen. 

"Empörung ist scheinheilig"

 Deutlich anders sieht das FDP-Fraktionschef Holger Zastrow. "Wir müssen dringend über die Rolle der Parteien und Werte wie Demokratie und Meinungsfreiheit sprechen und über unsere Bereitschaft, demokratische Entscheidungen zu akzeptieren und zu respektieren", meint er. "Thomas Kemmerich ist demokratisch gewählt worden. Die Reaktionen auf Thüringen sind ein Beleg für die Krise der Parteien in Deutschland.

Ein Vergleich mit 1933 und der Machtergreifung Adolf Hitlers verbietet sich. "Einige sollten darüber nachdenken, ob die Gleichsetzung der AfD mit Faschisten richtig und angemessen ist. Sie ist es nicht", sagt Zastrow.

Der FDP-Fraktionschef im Stadtrat sagt: "Die Empörung ist scheinheilig." Schließlich gelte Die Linke als völlig etabliert und Teil der demokratischen Mitte. "Obwohl sie lange Zeit Stasispitzeln ein Dach über dem Kopf bot und bis heute ein ambivalentes Verhältnis zu Linksextremismus hat."

Auch die Kritik der SPD am Agieren der FDP in Thüringen will Zastrow so nicht stehen lassen. "Die SPD hat auch schon Minderheitsregierungen gebildet und sich tolerieren lassen,  als Die Linke noch nicht so als etabliert galt." Er spielt auf die Regierung von Reinhard Höppner in Sachsen-Anhalt an. 

FDP-Fraktionschef Holger Zastrow sagt, es liegt an den großen Parteien, wenn kleinere Parteien in Verantwortung kommen.
FDP-Fraktionschef Holger Zastrow sagt, es liegt an den großen Parteien, wenn kleinere Parteien in Verantwortung kommen. © Sven Ellger

Auch wenn es in diesen "aufgeregten Zeiten" nicht leicht sei, fordert Zastrow alle Parteien auf, darüber nachzudenken, wie sie mit der AfD, aber auch miteinander  umgehen wollen. "Man kann doch wohl kaum die vielen Wähler der AfD als Nazis bezeichnen."

Die FDP habe in Thüringen sicher keinen Regierungsauftrag vom Wähler, sondern ist gerade in den Landtag eingezogen. "Aber Thomas Kemmerich war angetreten, um Rot-Grün-Rot abzuwählen." 

Die Parteien entfernten sich laut Zastrow in dramatischer Geschwindigkeit zunehmend von der Lebenswirklichkeit der meisten Menschen. "Es gibt überhaupt keine Parteien mehr, die in der Lage sind, wirklich große Mehrheiten zu binden." Weder im Bund, noch im Land und erst recht nicht in der Stadt. 

Auch in Dresden würden alle in "ihren Gräben" sitzen und sich mit "Kampfrhetorik" überbieten. "Die Folge sind gegenseitige Blockade und ein alles lähmender Entscheidungsstau." Weil die Parteien keine Kompromisse mehr finden, sei es beispielsweise zu der Preiserhöhung für Bus- und Bahntickets der Dresdner Verkehrsbetriebe gekommen. "Eigentlich wollte die Erhöhung keiner, es gab keine Einigung, also hat sich eine Minderheitenmeinung durchgesetzt", so Zastrow.

Das sei der falsche Weg, das Vertrauen der Bürger zurückzugewinnen. Deshalb müssten aus Zastrows Sicht alle Parteien über den Tellerrand schauen und die Blöcke Grüne, Linke und SPD gegen CDU und FDP, denen auch Freie Wähler und AfD zum Teil zugerechnet werden, aufgelöst werden.

Stattdessen würden in Dresden sogar die Freien Wähler pauschal als "rechts" abgekanzelt und eine Zusammenarbeit ausgeschlossen, was "völlig falsch" sei. Und wenn es mit den Personen passt, könne man lokal auch mit der AfD einen "vernünftigen und pragmatischen Umgang" finden. 

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