Dresdens gefährlichster Fluss ist flutsicher

Dresden. Stefanie und Dennis Pickelhaupt laufen über die Brücke am unteren Ende der Kesselsdorfer Straße und schauen auf die Weißeritz, die derzeit nur gemächlich dahinplätschert. Das Paar wohnt direkt am Weißeritzknick, der zwischen den Brücken Kesselsdorfer und Löbtauer Straße liegt. Dennis Pickelhaupt hat im August 2002 erlebt, wie gefährlich der Fluss ist. "Ich war damals zur Ausbildung in Berlin und kam nicht mehr nach Dresden rein", berichtet der 39-Jährige. Später sah er die großen Schäden. Deshalb findet er es gut, dass die Weißeritz jetzt einen ausreichenden Hochwasserschutz hat. "Wenn er uns wirklich schützt, ist das toll", sagt seine Frau Stefanie.
Der Ausbau des Weißeritzknicks ist jetzt geschafft. Damit sind alle Arbeiten zum Hochwasserschutz von Dresdens gefährlichstem Fluss jetzt abgeschlossen. Sachsens Umweltminister Wolfram Günther (Grüne) und Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) haben am Mittwoch den Weißeritzknick als letzten Abschnitt übergeben.
Dieser einst fast rechtwinklige Abschnitt des Flusses war besonders gefährlich. Denn dort verlässt die Weißeritz ihr altes Bett in Richtung Cotta. Ende des 19. Jahrhunderts war sie verlegt worden. Bei der Jahrhundertflut 2002 war der reißende Strom dort über die Ufer getreten und hatte sich seinen Weg in die Dresdner Innenstadt gebahnt. "Es musste etwas unternommen werden", sagte Umweltminister Günther. "Es ging um einen besseren Hochwasserschutz und darum, dem Fluss mehr Raum zu geben."

Deshalb hat die Landestalsperrenverwaltung (LTV) die Weißeritz zwischen Altplauen und der Mündung in die Elbe auf einer Länge von 4,7 Kilometern seit 2009 so ausgebaut, dass sie selbst eine 500-jährliche Flut wie 2002 sicher ableiten kann. Damals kamen rund 400 Kubikmeter Wasser je Sekunde die Weißeritz hinab geschossen. Die Weißeritz hatte sich zuerst ihren Weg durch den Gewerbehof an der Löbtauer Straße gebahnt, berichtet OB Hilbert. Dann schoss das Wasser durch den Hauptbahnhof. Auch das Krankenhaus Friedrichstadt sei überflutet gewesen, erinnerte er an die dramatischen Ereignisse. Die Weißeritz verursachte damals Schäden von 250 Millionen Euro.
Um das künftig zu verhindern, beteiligt sich die Stadt mit rund 14 Millionen Euro an den Gesamtkosten für den flutsicheren Ausbau der Weißeritz von etwa 37 Millionen Euro. Denn der Freistaat übernimmt nur bis zum Schutzgrad für ein 200-jährliches Hochwasser die Kosten.
Begonnen hatten die Arbeiten in Altplauen und Löbtau. Ab 2009 wurde die Weißeritz auch von der Mündung flussaufwärts ausgebaut. Dabei wurde das Flussbett um bis zu 1,5 Meter ausgebaggert und befestigt. Außerdem haben die Wasserbauer kleine Wehrschwellen als Hindernisse für Fische und andere Wassertiere beseitigt sowie Fischtreppen gebaut. So können sie jetzt durchgängig in der Weißeritz schwimmen.
Geschaffen wurden auch Ruhezonen. Dadurch haben die Tiere einen besseren Lebensraum in der Weißeritz. Außerdem wurden Ufermauern neu befestigt und teilweise erhöht. Zeitweise wurde in bis zu zehn Bauabschnitten gleichzeitig gearbeitet, erläutert Birgit Lange, die den LTV-Betrieb Oberes Elbtal leitet.

Das zahlt sich bereits bei der Juniflut 2013 aus. Binnen weniger Tage ist aus der langsam dahinplätschernden Weißeritz wieder ein reißender Strom geworden. Am 3. Juni löst die Stadt für die Weißeritz mit der Alarmstufe 4 die höchste aus. Alle Einsatzkräfte stehen bereit, um schnell die nötigen Schritte einzuleiten. Der Plauener Pegel nähert sich der 2,40-Meter-Marke. 180 Kubikmeter schießen je Sekunde den Fluss hinab.

Doch anders als 2002 ist Dresden besser auf die Weißeritzfluten vorbereitet. Sieben Brücken sind neu gebaut worden, sodass mehr Wasser abfließen kann, weitere sind flutsicher saniert. Das Flussbett in Altplauen und Löbtau sowie an der Mündung ist so ausgebaut, dass es bereits ein Hochwasser ableiten kann, das statistisch gesehen nur einmal im Jahrhundert kommt. Dabei schießen 234 Kubikmeter je Sekunde den Fluss hinab, also über 50 mehr als am 3. Juni 2013, als der Pegel am Abend aber schon wieder sank. 2002 waren es 400 Kubikmeter. Der Fluss tritt im Juni 2013 nicht über die Ufer und bahnt sich wie 2002 seinen Weg durch die Innenstadt. Nur direkt an der Mündung gibt es einige Schäden.

Am Weißeritzknick bleiben damals die Fluten auch einige Zentimeter unter der Oberkante der Ufermauer. Dessen Ausbau hatte 2017 begonnen. Die 100 Meter lange höhere Uferwand auf der rechten Seite konnte schon im vergangenen Jahr fertiggestellt werden. Dort wurde kürzlich die Lücke in der Uferwand geschlossen, durch die die Baustellenzufahrt zum Fluss verlief. Auf den neuen Ufermauern sind feuerverzinkte Geländer als Absturzsicherung für Fußgänger und Radfahrer montiert worden.
Außerdem werden die Fuß- und Radwege auf der rechten Flussseite bis Mitte dieses Jahres wieder hergestellt. Landschaftsbauer gestalten noch die Grünflächen und pflanzen Bäume und Sträucher. Dort werden auch Bänke stehen, auf denen Spaziergänger eine Pause einlegen können. Zudem werden die Anschlüsse zum Weißeritzgrünzug zwischen der Freiberger Straße und dem Gründerzentrum wiederhergestellt, sodass er nach Jahren wieder durchgängig wird.

Die Weißeritz wurde am
Knick so ausgebaut, dass sie dort nur noch eine leichte Kurve schlägt. So können
bei Hochwasser die Fluten in diesem zuvor gefährlichen Bereich besser
abfließen. Im Weißeritzknick wurde auch eine 90 Meter lange Mittelwand gebaut. Schwillt
der Fluss an und fließen mehr als 100 Kubikmeter je Sekunde, was einem
zehnjährlichen Hochwasser entspricht, läuft das Wasser über die Mittelmauer. So
kann es sich über eine neu gebaute Flutmulde gut verteilen und besser durch die
anschließende Brücke abfließen. Experten der TU Dresden hatten bei einem
Modellversuch bereits getestet, dass dies auch bei einer so großen Flut wie
2002 so wäre.

Der Ausbau ging so zügig voran, dass er zwei Jahre vor dem geplanten Abschluss beendet werden konnte, erklärte der Umweltminister. Dennoch sei weiter Vorsicht geboten, warnte er. OB Hilbert pflichtete ihm bei. "Es gibt keinen 100-prozentigen Schutz", sagt er. Was derzeit bei der Corona-Pandemie nötig sei, gelte auch für den Hochwasserschutz. "Wir dürfen nicht leichtsinnig werden."