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Orthopädische Praxis bleibt

Die Großröhrsdorfer Fachärztin Kerstin Fieber hat ihre Nachfolge geregelt – ein neues Modell sichert die Zukunft.

Von Reiner Hanke
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Orthopädin Kerstin Fieber plant ihren Ruhestand. Facharzt Andreas Kiel ist einer ihrer Nachfolger
Orthopädin Kerstin Fieber plant ihren Ruhestand. Facharzt Andreas Kiel ist einer ihrer Nachfolger © René Plaul

Großröhrsdorf. Wenn Fachärztin Kerstin Fieber den Schlüssel zu ihrer Praxis an der Rathausstraße herumdreht, so ist es jetzt immer ein bisschen mit Abschied verbunden. Denn dabei schaut sie auch auf eine kurze Information des Städtischen Klinikums Dresden. Dort ist die Praxis jetzt angesiedelt als „Medizinisches Versorgungszentrum“ MVZ des Klinikums. Die 63-Jährige hat begonnen, kürzer zu treten. Wenn der Ruhestand näher rückt, seien Ärzte ohnehin angehalten, rechtzeitig damit zu beginnen, alle wichtigen Dinge zu regeln. Dazu gehört die Nachfolgerfrage, die nicht immer leicht zu lösen ist. Zuerst habe sich da wenig bewegt. Dann gab es durchaus Interessenten, die Praxis zu übernehmen. Manchem war sie dann vielleicht zu ländlich.

Schließlich trat das Krankenhaus Friedrichstadt mit seinem Übernahmekonzept an die Ärztin heran. Das Teilzeitmodell sei ihr sehr entgegengekommen. Aus familiären Gründen sei ihr die zusätzliche freie Zeit sehr wichtig. Für das Krankenhaus bietet dieses Modell ebenfalls Vorteile. Krankenhausärzte lernen die ambulante Versorgung kennen. Sie sammeln dort praktische Kenntnisse und können sie mit dem Klinikdienst verbinden. Er genieße diese Erfahrung, sagt der 36-jährige Facharzt Andreas Kiel und verrät, letztlich habe ihn der Zivildienst beim DRK zum Arztberuf gebracht. Insgesamt sind es jetzt drei Ärzte, die im MVZ an der Rathausstraße, die Betreuung der Patienten übernehmen. An dem Standort soll sich auch nichts ändern, versichert Kerstin Fieber. Jeden Donnerstag und Freitag ist sie in der Praxis. An einem Tag praktiziert Facharzt Jan Tschernitschek und an zwei Tagen Andreas Kiel. Drei Tage sei er in der Klinik am Standort Dresden-Friedrichstadt und stehe dort auch im OP-Saal. Die Möglichkeiten der Klinik stünden auch den Patienten in Großröhrsdorf zur Verfügung. Das sei ein Vorteil. Aber natürlich bleibe es bei der freien Arztwahl.

Bürokratische Zeiten

Auch wenn der Ruhestand naht, mache ihr die Arbeit mit den Patienten immer noch viel Spaß – zu helfen und Leiden lindern zu können. Aber es sei auch gut, etwas Arbeit und Verantwortung abzugeben. Denn es seien eben nicht nur die Patienten, die zur Arbeit einer niedergelassenen Ärztin gehören. Die werde immer bürokratischer. Das ermüde mit der Zeit. Was alles an so einer Praxis hängt, weiß inzwischen auch Andreas Kiel. Der letzte Patient ist an dem Tag längst gegangen, da sitzt er noch über den Akten: schreibt Befunde, Therapieempfehlungen, korrespondiert mit Krankenkassen. Aus dem Gesundheitsministerium kommt immer wieder Neues und die wirtschaftliche Seite so einer Praxis sei auch zu beachten. Andreas Kiel zeigt auf einen Packen Arbeit. Den hatte Kerstin Fieber bisher allein auf dem Tisch. Sie schätzt ein: „Ich bin sehr froh, dass mir diese Übergangsphase durch das Klinikum ermöglicht wird.“ Etwa zwei Jahre werde sie auf jeden Fall noch für die Patienten da sein, sagt die Ärztin. Das Einzugsgebiet ist riesig und reicht von Bischofswerda bis Dresden und Senftenberg.

Fachärzte dringend gebraucht

In den 1980er-Jahren startete Kerstin Fieber nach dem Studium an der TU Dresden in Radeberg ihre Karriere. In dem Krankenhaus hatte sie schon als Schülerin in den Ferien gearbeitet und war auch von dort zur TU delegiert worden. Die Fachrichtung stand damals fest. Bei der Auswahl gab es keinen Spielraum, erinnert sie sich. Orthopäden wurden gerade dringend gebraucht. So begann die Berufspraxis noch während der Facharztausbildung in der Radeberger Poliklinik. Seit 1991 ist die Orthopädin nun in Großröhrsdorf und erinnert sich an abenteuerliche Wendejahre mit Diensten von Freitag bis Montag am Stück und Nächten auf dem Klappbett in der damaligen Praxis. Ein Grund mehr, über kurz oder lang von Ullersdorf nach Großröhrsdorf zu ziehen. 2010 bezog sie ihre jetzige Praxis in einem Gebäude mit Vorgeschichte. Darin war früher die Konsumkaufhalle. Ende des vorigen Jahrzehnts kauften Kerstin Fieber und ihr Lebenspartner das Gebäude, um es schrittweise als Ort der Entspannung mit Wellness, Sauna und Physiotherapie auszubauen. Die hat jetzt eine neue Inhaberin. Sie setzte viel auf Gruppentherapie und Bewegung. Das passt schon. Denn die Großröhrsdorfer leiden aus orthopädischer Erfahrung vor allem an Rückenschmerzen und haben Probleme mit den Gelenken. In einer alternden Gesellschaft sei zudem die Osteoporose eine Erkrankung, die immer mehr Menschen betreffe und ein Praxisschwerpunkt. Die Krankheitsbilder seien ein Spiegel der Gesellschaft. Und manchmal auch ein Gespräch wichtiger als eine Therapie. Gerade Schmerzen können auch psychische Ursachen haben. So habe sich in dem Fachgebiet viel geändert. Das gesamte Stütz- und Bewegungssystem, ja der ganze Mensch werde viel komplexer betrachtet. Nicht mehr auf Knochen und Muskeln reduziert.

Die Arbeit am Patienten

So bringen die jungen Kollegen zugleich neue Ideen und Fachkompetenzen mit, freut sich Kerstin Fieber. Die mischen sich nun mit der Erfahrung der langjährigen Ärztin. Sie selbst sei die klassische Orthopädin. Andreas Kiel und Jan Tschernitschek auch Fachärzte für Unfallchirurgie. Sodass jetzt auch die Nachbehandlungen von Knochenbrüchen und Unfällen zum Spektrum gehört. Und so ist sich Andreas Kiel mit Kerstin Fieber einig, das reizvolle an der Orthopädie, ist die praktische (Hand)-Arbeit am Patienten. Wenn salopp gesagt zum Beispiel etwas einzurenken ist. So ist sich die Ärztin gewiss: Wenn sie die Tür zum letzten Mal abschließt, die Zukunft der Praxis ist gesichert. Und, wenn sie das Stadtgespräch richtig interpretiere, komme das neue Praxismodell gut an.