Dresdner Neumarkt: Ein Stück Normalität

Die noch, und die noch, und die auch noch. Ausgelassen springen die Kinder den Seifenblasen nach, die der Wind über den Neumarkt trägt, und lassen sie platzen. So manchen Eltern ist die Freude ihrer Kleinen dann auch den einen oder anderen Euro Wert.
Geld, das Georg Gräßler gut gebrauchen kann. Zum ersten Mal seit Beginn der Corona-Krise steht der 34-jährige Seifenblasen-Künstler mit Zopf und Zylinder an diesem Wochenende wieder in der Altstadt. „Das wird höchste Zeit“, sagt er lächelnd. „Ich habe jetzt drei Monate keinen Cent verdient.“
Die tanzenden Kinder und ihre glücklichen Eltern lassen Corona fasst vergessen. Paare fotografieren sich mit Selfie-Stick küssend vor der Frauenkirche, Familien essen Pizza und die ersten Pferdekutschen klappern über das Pflaster. Selbst die Spatzen nähern sich aufgeregt den zurückkehrten Menschen, die hoffentlich endlich wieder ein paar Krümel für sie fallen lassen.
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Das alles sieht fast wie Normalität aus, mal abgesehen von den fehlenden Touristengruppen, den Junggesellenabschieden und allgemein den schieren Menschenmassen. Noch fehlen die Gäste aus aller Welt, die sonst hier bereitwillig ihre Aufmerksamkeit und ihr Geld lassen würden. Das merkt auch Droschken-Fahrer Jürgen Hilinski. „Wir wollen es mal wieder versuchen, aber wir versprechen uns noch nicht all zu viel“, sagt er.
Auch der Zeichner Marc Wolff-Rosenkranz ist mit seinem Wagen auf den Neumarkt zurückgekehrt. Am Samstag habe er in fünf Stunden immerhin sechs Bilder für je zehn Euro verkauft. „Besser als nichts, aber bislang mach ich das mehr für die Ehre.“
Museen sind keine Baumärkte
Keine Frage, der Platz ist bei weitem nicht so voll wie an normalen sonnigen Sonntagen im Mai. Vor allem Dresdner tummeln sich hier. Kurz vor 11 Uhr läuten die Glocken der Frauenkirche. Der Gottesdienst ist gut besucht. Zu den 70 Voranmeldungen kommen etliche spontane Gäste. Sie alle erhalten ein Blatt mit Schutzhinweisen, auf dessen Rückseite sie ihre Kontaktdaten eintragen müssen. Nur zur Sicherheit, falls später ein Corona-Fall bekannt werden sollte.
Petra und Libor Svoboda genießen gemeinsam mit ihren beiden Kindern die Sonne auf einer der Bänke. Sie stammt aus Tschechien, er aus der Slowakei. Adam und Nela sind in Deutschland geboren. Seit drei Jahren wohnt die Familie in Dresden. „Hier auf dem Neumarkt waren wir Weihnachten zum letzten Mal“, sagt Petra Svoboda. „Wir haben uns überhaupt nichts vorgenommen und genießen einfach nur die Zeit.“ Es dauert nicht lange, da gehen auch Adam und Nela auf Seifenblasen-Jagd.

Die meisten Gaststätten rund um den Neumarkt haben unterdessen wieder geöffnet. Während am Samstagmittag nur vereinzelt Plätze besetzt waren, ist die Nachfrage am Sonntag schon größer. Die Gastronomen in der Altstadt eint die Freude darüber, dass sie immerhin wieder im Geschäft sind. „Wir haben einige Vorbestellungen, aber das wird hoffentlich bald wieder deutlich mehr“, sagt Nico Haufe vom Sophienkeller. Ähnliches ist aus dem 1900 am Neumarkt zu hören.
Schon seit zwei Wochen ist das Verkehrsmuseum wieder geöffnet. Der Andrang an diesem Wochenende ist allerdings eher verhalten. Museen sind eben keine Baumärkte, vor denen die Dresdner auch an diesem Samstag wieder bereitwillig Schlange standen.
Und dann ist da noch Peter Heinrich, ein älterer Mann, der als einen der wenigen Menschen hier Mundschutz trägt und auf einer Bank vor der Frauenkirche sitzt. Neben ihm liegt ein kleiner Stapel Zeitungen. Es ist die Straßenzeitung Drobs. Ein weiteres Stück Normalität ist zurück.

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