Von Peter Salzmann
Wer mit ihm ins Gespräch kommt, kann viel lernen. Seine Worte sind sachlich und ruhig, ohne jede Geste, als wolle er die Ruhe der Natur nicht stören. Wenn er am Steilhang oberhalb der Kirnitzsch zwischen den Sandsteinquadern durch die Quartiere läuft, geht ihm das Herz auf. Seit 1994 ist Rudolf Schröder ehrenamtlich fachlicher Leiter des Pflanzengartens Bad Schandau, der längst in den Rang eines Botanischen Gartens aufgestiegen ist.
Schröder – in Dresden zu Hause – hat reiche Erfahrungen, denn er stand 23 Jahre dem Botanischen Garten in Dresden als Technischer Leiter vor, ist Vorstandsmitglied der Deutschen dendrologischen Gesellschaft und des Landesvereins Sächsischer Heimatschutz. Als Leiter der traditionellen Parkseminare vermittelt er seine Kenntnisse über die Flora oft an 250 in- und ausländische Teilnehmer.
Der 77-jährige Diplom-Gartenbauingenieur kommt mehrfach in der Woche eigens aus Dresden, um in Bad Schandau der seltenen Gebirgsflora unter die Arme zu greifen. Die reizvolle Anlage existiert seit 1902 und steigt über 80 Stufen über 40 Höhenmeter an. Auf einer 4100 Quadratmeter großen Fläche gedeihen 1600 Arten, 360 Pflanzen davon aus der Sächsischen Schweiz. Rudolf Schröder nennt einen Schwerpunkt: „Wir zeigen keine Sorten, sondern nur Arten, wie sie in der Bergnatur vorkommen.“ Ihm und seinen meist ehrenamtlichen Helfern sei es Herzenssache, den „Erhaltungskulturen“ besonderes Augenmerk zu schenken. Dazu gehöre der „Dornige Schildfarn“, den es ebenso zu erhalten gelte wie 40 Pflanzen, die dank liebevoller Pflege im Botanischen Garten Bad Schandau eine Heimstadt haben und so vor dem Aussterben bewahrt worden sind.
Kustos am Steilhang
Der „Kustos am Steilhang“ nennt auch die „Zweiblättrige Kuckucksblume“, eine Orchidee, die einst in der Sächsischen Schweiz auf Halbtrockenrasen gedieh. Rudolf Schröder verweist auf die enge Zusammenarbeit mit der Nationalparkverwaltung Sächsische Schweiz und unterstreicht: „Wir wollen auch künftig gemeinsam dafür Sorge tragen, dass wertvolle Pflanzen unserer Region vor dem Aussterben bewahrt werden, damit sich die Generationen nach uns an den Blumen und Farnen, Gräsern, Moosen, Bäumen und Sträuchern erfreuen können.“
Pflanzen aus aller Welt
Die Bad Schandauer Anlage ist übersichtlich gegliedert. Jede Pflanze ist in Deutsch und Lateinisch ausgeschildert. Schröder zeigt neben dem „Quartier Sächsische Schweiz“ auch die Abteilungen der benachbarten Regionen Böhmische Schweiz, Erzgebirge, Elbhügellandschaft und Lausitz. Zum Garten gehören auch ein Alpinum und Quartiere mit botanischen Besonderheiten aus Asien und Nordamerika, erklärt Schröder und doziert: „Die Gliederung geht auf Prof. Oscar Drude zurück, der in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts die hiesigen Botanischen Gärten mit regionalen Quartieren und exotischen Abteilungen auf wissenschaftliche Grundlagen gestellt hat.“
Rudolf Schröder legt Wert darauf, dass sich Dr. Dorothea Roloff aus Dresden, Regina Hergesell und Renate Butler aus Bad Schandau seit Längerem Verdienste um den Garten erwarben. „Vor allem der Sebnitzer Sebastian Schütze, der mal hauptamtlich meine Nachfolge antreten soll“, wirft Schröder einen hoffnungsvollen Blick voraus.
Dass der Familienvater Rudolf Schröder – seine beiden Töchter sind Floristinnen – ein großer Freund der Berge ist, versteht sich von selbst. Noch vor vier Jahren stand er im Mount-Everest-Basislager, vor drei Jahren auf dem Großglockner. „Das traue ich mir heutzutage nicht mehr zu“, sagt der graumelierte Diplom-Gartenbauingenieur, der wie ein Wiesel behände durch den Steilhang seines Botanischen Gartens huscht und ehrfurchtsvoll auf eine Gedenktafel zeigt.
Zu lesen ist: „Dem Andenken an Dr. med. Friedrich Theile, 1814– 1899. Gewidmet vom Gebirgsverein Sächsische Schweiz.“ Er sei der Initiator des Pflanzengartens in Bad Schandau gewesen.