Von Tobias Wolf
Noch rumpelt es etwas in den Achsen, als der Waggon der Standseilbahn gestern bei einer Testfahrt in Richtung Bergstation rollt. Seit Karfreitag um 9 Uhr verbindet das historische Verkehrsmittel wieder Loschwitz und den Weißen Hirsch miteinander. Seit Januar war die Bahn wegen der größten Generalüberholung seit den frühen 1990ern außer Betrieb gewesen.
Waggons, Gleise und die Antriebsmaschine: Alle zehn Jahre muss die historische Anlage der Dresdner Verkehrsbetriebe (DVB) eine Hauptuntersuchung bestehen, die ähnlich wie der Tüv beim Auto funktioniert. Dabei sind an den Wagen unter anderem die Karosserie, das Fahrwerk und die Bremsen aufgearbeitet oder erneuert worden. Auch die Inneneinrichtung, wie Sitze, Scheiben und Türen, haben in einem Dessauer Spezialwerk eine Frischekur erhalten. In den Jahren 1993/94 war sie schon einmal komplett rekonstruiert und unter anderem mit neuen Wagen aus der Bautzner Waggonfabrik bestückt worden. Bis Karfreitag haben die DVB-Techniker jedoch noch einiges zu tun. Verkleidungen von Kabelschächten in den Waggons müssen noch verschlossen, Bahnsteige und die beiden Stationen geputzt werden. Zur Eröffnung gab es für Kinder eine Osterhasenwerkstatt.
Die Arbeiten am Viadukt der Schienentrasse sind abgeschlossen. „Wir haben den Holzbodenbelag und einige Schwellen erneuert“, sagt Vize-Bergbahnchef Carsten Lauterbach. Dazu ein modernes Datenkabel auf ganzer Streckenlänge eingezogen, das künftig die Fahrkommandos für die Standseilbahn überträgt. Auch die Antriebsmaschine in der Bergstation wurde generalüberholt. Dabei wurde unter anderem das zwei Tonnen schwere Schwungmassenrad der historischen Bremsanlage außer Betrieb genommen.
„Das wird eigentlich schon seit 1994 nicht mehr gebraucht“, sagt Lauterbach. Eine moderne Konstruktion, ähnlich der Felgenbremse eines Fahrrads, sorgt seither dafür, dass die Standseilbahn sich nicht losreißen kann – auch wenn sie in der Station steht. Mit dem Wegfall der Schwungmassenbremse erwarten die DVB-Techniker für die Zukunft deutlich weniger Verschleiß. „Das Gewicht musste ja immer mitgeschleppt werden“, sagt der 49-Jährige. „Ohne das Rad sparen wir jetzt sogar ein bisschen Strom.“ Rund 350 000 Euro haben die DVB in die Generalüberholung investiert. Über drei Monate dauerten die Arbeiten. Dafür gibt es einen Grund. „Die Betriebsvorschriften für Bergbahnen sind sehr streng im Vergleich mit anderen Verkehrsmitteln“, erklärt DVB-Vorstand Hans-Jürgen Credé. „Das gleiche gilt für die Tunnel.“ Seit der Bergbahn-Katastrophe im österreichischen Kaprun vor über 13 Jahren, bei dem 155 Menschen verbrannten, seien die Vorschriften noch einmal verschärft worden, so Credé.
Die frisch aufgearbeiteten Waggons sind schon die vierte Generation. Vize-Betriebschef Lauterbach zufolge halten sie etwa 35 Jahre. Die ersten waren 1895 zur Eröffnung in Betrieb gegangen, um das neu gegründete Villenviertel Weißer Hirsch an den Loschwitzer Körnerplatz anzubinden. Damals sorgte eine Dampfmaschine für den Antrieb der Standseilbahn, die 1909 durch einen Elektromotor ersetzt wurde. Mit der Bahn wurden seinerzeit nicht nur Passagiere, sondern auch Güter transportiert. Bergauf gab es Kohlelieferungen für die neuen Villen, bergab wurden die Güllebehälter der Häuser transportiert, weil es keine Kanalisation gab. Dass dort ein neuer Stadtteil entstand, ist der aus Amerika eingeschleppten Reblaus geschuldet. Sie hatte den traditionellen Weinbau an den Elbhängen Mitte des 19. Jahrhunderts beendet. Das Areal wurde zum Dorado für Grundstücksspekulanten. Auch das bekannte Lahmann-Sanatorium wurde dort gebaut.
Zu Ostern erwartet die Passagiere in der Standseilbahn ein besonderes Schmankerl. Während der fünfminütigen Fahrt sind selbst gesprochene Kurztexte von Uwe Tellkamp zu hören, der den Weißen Hirsch mit seinem Buch „Der Turm“ weit über Dresden hinaus bekannt machte.