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Drogenverkauf wird nicht bestraft

Zweimal hat der Angeklagte aus Moritzburg Crystal verkauft. Das Gericht glaubt ihm eine skurrile Geschichte.

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© Wolfgang Wittchen

Von Jürgen Müller

Meißen/Moritzburg. Crystal wird zu Recht als „Teufelszeug“ bezeichnet. Die Schäden, die diese synthetische Droge anrichtet, sind enorm und vor allem irreparabel. Nicht nur am Amtsgericht Meißen ist man deshalb schon lange dazu übergegangen, drastische Strafen zu verhängen. Auch aus Präventionsgründen werden selbst bei Ersttätern in der Regel Haftstrafen ohne Bewährung ausgesprochen. So schickte Richter Andreas Poth vor einiger Zeit einen jungen Mann für drei Monate ins Gefängnis, der 0,1 Gramm Crystal an eine Minderjährige abgegeben hatte.

Was droht da erst dem 21-jährigen Moritzburger, der zweimal je 0,5 Gramm abgegeben hatte, also die zehnfache Menge? Um es vorwegzunehmen: nichts.

Abgesprochene Geschichte

Der junge Mann präsentiert am Donnerstag Richterin Ute Wehner eine Geschichte, die er zuvor mit der Jugendgerichtshilfe abgesprochen hatte. Zuvor fragt er die Vertreterin der Jugendgerichtshilfe, ob die Richterin an diesem Tag „gute Laune“ habe. Hat sie offenbar, denn die braucht man auch, um seine skurrile Geschichte zu glauben. Er gibt zwar zu, dass er im März vorigen Jahres auf der Mozartallee in Großenhain zweimal jeweils ein halbes Gramm Crystal an einen Kumpel abgegeben hat. Doch verkauft habe er die Drogen nicht. Er habe sie ihm nur „gegeben“, also quasi geschenkt. Einige Zeit später „schenkte“ ihm sein Kumpel dann 20 Euro. So kann man es natürlich auch sehen. Ich schenke jemandem Drogen, und der schenkt mir Geld. Und schwups, schon ist es kein Verkauf mehr, also auch kein Handeltreiben. Darauf muss man erst mal kommen.

Bezahlt habe der Angeklagte für das Crystal jedoch 30 Euro. Es war also ein Verlustgeschäft. Auch dafür hat der Moritzburger eine Erklärung. Er hat sozusagen aus reiner Nächstenliebe gehandelt. „Ich war mit ihm befreundet, er hatte doch selbst wenig Geld. So habe ich wenigstens etwas Geld bekommen, das ist ja besser als nichts“, sagt er, der damals selbst drogenabhängig war. Seit Anfang des Jahres sei er jetzt clean, habe einen „kalten Entzug“ gemacht, ohne Hilfe, ohne Entgiftung, ohne Therapie. Auch das ist höchst unglaubwürdig. Ob die Geschichte des Angeklagten zur „Schenkung“ der Drogen stimmt, hätte das Gericht leicht überprüfen können, indem es den Käufer der Drogen befragt. Der ist zwar als Zeuge geladen und auch extra nach Meißen angereist, wird aber gleich wieder nach Hause geschickt, ohne angehört zu werden.

Nicht zum ersten Makl vor Gericht

Der Angeklagte sitzt nicht zum ersten Mal vor Gericht. Schon 2012 war er des Diebstahls angeklagt, erhielt letztlich nur richterliche Weisungen. Später wurde er dann verurteilt. Weswegen und zu welcher Strafe, das sagt Richterin Ute Wehner nicht. War es auch eine Straftat mit Drogen? Ist er also Wiederholungstäter?

Staatsanwältin Sabine Greiffenberg beantragt, im Hinblick auf dieses Urteil das jetzige Verfahren einzustellen. Das heißt, die neuen Taten sind mit dem alten Urteil praktisch mit abgegolten, fallen nicht ins Gewicht. Der Drogenhandel wird also nicht bestraft. So entscheidet auch die Richterin. Weil der Mann nicht verurteilt wurde, muss er auch die Kosten des Verfahrens und die eigenen Auslagen nicht bezahlen. Die werden in solchen Fällen der Staatskasse, also dem Steuerzahler, auferlegt. Mit einem breiten Grinsen, das sich in einem lauten Lachen entlädt, verlässt der Angeklagte das Gericht. Nicht nur er hat allen Grund zum Lachen.