Die schöne Serbin beim DSC

Die heutige Zeit gebiert skurrile Dinge. Auf dem Videoportal Youtube lungert bereits seit vier Jahren ein wenig erfolgreiches Filmchen, das die vermeintlich 25 attraktivsten Sportlerinnen aus Serbien präsentiert. Knapp 10.000 Klicks hat der dreiminütige Clip generiert. Auf Platz 19 wird eine gewisse Milica Kubura aufgeführt.
Seit dieser Saison können sich die Fans der Volleyballerinnen vom Dresdner SC davon überzeugen, dass die 1,93 Meter große Diagonalangreiferin nicht zu Unrecht in dieser Beauty-Rangliste genannt wird. Milica Kubura winkt vier Jahre später lässig ab: „Das ist mir nicht wirklich wichtig. Jeder hat ja einen anderen Geschmack. Ich weiß ja nicht einmal, wer das Video fabriziert hat. Es ist schön, da genannt zu werden, aber es ist mir egal“, stellt sie fest.
Viel wichtiger dürfte für die 24-Jährige sein, dass sich ihr nächster Karriereschritt von Partizan Belgrad nach Dresden bereits ausgezahlt hat. Mit 126 Punkten führt die 24-Jährige die Topscorerliste der Bundesliga an. Und hat damit – ganz nebenbei – die etablierte Piia Korhonen als Hauptangreiferin beim fünffachen deutschen Meister verdrängt. „Damit hatte ich nicht unbedingt gerechnet“, sagt Kubura. „Aber wir kommen super miteinander aus, reden viel und treiben uns im Training gegenseitig voran.“
Nach außen hin sind zwei große Stärken der serbischen Nationalspielerin kaum zu übersehen. Ihre Sprungaufschläge stellen jede gegnerische Annahme vor ein Problem und ihre Angriffsschläge mit brachialer Urgewalt sind schwer zu verteidigen. „Ich bin sicher stärker als die meisten Mädels“, betont sie. Kubura denkt, dass ihre effektivste Waffe, für alle unsichtbar, hinter der attraktiven Fassade lauert. „Meine größte Stärke ist mein Gehirn.“ Kubura hat in Amerika ihren Master in Versicherungsmathematik gemacht, einen IQ-Test hingegen noch nie. „Ich hatte nie das Gefühl, dass ich meine Intelligenz mit einer Punktzahl beweisen muss“, sagt sie. Vater Zjelko ist Mathe-Professor, Schwester Jovana ebenfalls Mathematikerin. „Wir sind eine verrückte Familie“, erklärt Milica lachend.
Und eine sehr emotionale. Kubura ist auf dem Spielfeld jederzeit anzusehen, wie ihre Stimmung ist. Und die ist – entsprechend der Formkurve der Mannschaft – zuletzt stetig ansteigend. „Die Emotionen sind für mein Spiel wichtig. Das kommt einfach so raus. Ich zeige wirklich, was ich in dem Moment fühle.“ Zu der Erkenntnis wurde sie erst in Amerika geführt, während ihres Studiums an der Florida State University. „Davor war ich sehr ruhig, mehr als Ivana“, erklärt sie lachend und beschreibt damit treffend die zweite Serbin im DSC-Aufgebot, Ivana Mrdak.
„In dem Moment meiner Karriere genau der richtige Klub"
Der Neuzugang ist eine Spielerin mit ziemlich genauen Vorstellungen, hin und wieder ein Dickkopf. 2013 wollte sie eigentlich nach Italien wechseln, doch ihr Heimatklub Partizan Belgrad verweigerte die Freigabe. Kubura blieb trotz fehlender Spielerlaubnis in Conegliano. „Ich konnte dort jeden Tag an der Seite der weltbesten Spielerinnen trainieren. Das hat mich enorm weitergebracht“, sagt sie stolz.
Die Angreiferin sagt, was sie denkt, auch wenn das nicht jedem gefällt. Den DSC betrachtet sie als sportliches Sprungbrett in eine noch bessere Liga für einen noch prominenteren Klub. „Dresden ist für mich in dem Moment meiner Karriere genau der richtige Klub, ich fühle mich hier sehr, sehr wohl“, stellt sie klar. Ihr Vertrag läuft bis Sommer 2020, der Verein hat sich eine Option für eine weitere Spielzeit gesichert. Wenn Kuburas Entwicklung dem eingeschlagenen Weg folgt, dürfte es an Interessenten nicht mangeln. Insofern könnte der Auftritt des DSC am Mittwoch im dritthöchsten europäischen Wettbewerb, dem Challenge-Cup, auch als Schaufenster verstanden werden. Das ist Zukunftsmusik und mithin nicht relevant. Die Entwicklung des eigenen Teams schon. „Wir können in allen drei Wettbewerben gewinnen, versprechen kann ich das nicht. Aber wir sind auf einem guten Weg“, sagt Kubura.
Die Serbin will sich beim DSC so verbessern, dass sie in der Nationalmannschaft Serbiens, dem Weltmeister, eine Option für Olympia in Tokio ist. „Derzeit bin ich auf meiner Position die Nummer drei, die besten beiden fahren nach Tokio“, sagt Kubura. Ihr Trainer Alexander Waibl hält das für realistisch. „Mein Job und mein Ehrgeiz ist es, Milica so zu entwickeln, dass sie um den zweiten Platz kämpfen kann“. An Tijana Boskovic, die derzeit als weltbeste Angreiferin gilt, wird Kubura wohl nicht heranreichen. „Mili ist ein Rohdiamant, in ihr steckt noch so viel Potenzial“, sagt Waibl.
Der 51-Jährige hat das dem Neuzugang mit der imposanten Schuhgröße 45 gleich zu Beginn klargemacht. „Als ich hierherkam, hat es mich etwas beschämt, dass er mir gleich drei Dinge nannte, die ich falsch machte.“ Kubura ist keine, die an Kritik zerbricht, sondern an der Ursache dafür arbeitet. „Er gibt mir aber ganz konkrete Hinweise, was ich ändern muss“, erklärt die Punktemacherin. Sie und Waibl feiern am selben Tag Geburtstag. „Ich denke, wir haben eine sehr gute Verbindung.“