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Dürfen Ihre Kinder freitags demonstrieren?

Wenn Schüler Politiker ausfragen, wollen sie klare Antworten hören. Das merkt am Montagnachmittag in Zittau nicht nur Sachsens Kultusminister.

Von Jana Ulbrich
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Angeregte Diskussion beim Schülerforum im Christian-Weise-Gymnasium:  Schüler Nino Tremer, Kultusminister Christian Piwarz und EU-Büroleiter Christian Staat aus Brüssel.
Angeregte Diskussion beim Schülerforum im Christian-Weise-Gymnasium: Schüler Nino Tremer, Kultusminister Christian Piwarz und EU-Büroleiter Christian Staat aus Brüssel. © Foto: Matthias Weber

Die große Aula im Zittauer Christian-Weise-Gymnasium ist fast bis auf den letzten Platz gefüllt. Sachsens Kultusminister ist gekommen, der Görlitzer Landrat, der Zittauer Oberbürgermeister, drei Landtagsabgeordnete und sogar Vertreter der EU-Kommission aus Brüssel. 

Sie wollen mit Schülern des Gymnasiums und der Zittauer Weinau-Oberschule über Europa diskutieren: über das Brexit-Chaos, die zunehmende Anti-EU-Stimmung oder die europaweiten Schülerdemonstrationen zur Klimapolitik. Das alles ist den Jugendlichen nämlich viel näher als gedacht. 

Und so nehmen sie in ihrer jugendlichen Unbefangenheit auch kein Blatt vor den Mund und stellen den Politikern Fragen, die sonst keiner zu fragen wagt: "Würden Sie Ihrer Tochter denn erlauben, in der Schulzeit zu demonstrieren, Herr Piwarz?" Auf so eine Frage kann Sachsens Kultusminister den Schülern nicht mit politischen Floskeln kommen. Diplomatisch antwortet Christian Piwarz (CDU) trotzdem:

Er wolle doch die Familie aus dem Spiel lassen, sagt der Staatsminister. Aber generell finde er es gut, dass sich junge Leute derart vehement für eine wichtige Sache und ihre Zukunft engagieren. Es sei dabei das Vorrecht von jungen Leuten, im Zweifel auch mal Grenzen zu überschreiten, um gehört zu werden. Allerdings könne das Demonstrationsrecht auch nicht schrankenlos gewährt werden. Das Primat habe nun mal die Schulpflicht. Für Aufmerksamkeit zu sorgen, sei ja mittlerweile auch gelungen. Und in Sachsen hätten die Schüler mit ihren Demonstrationen schon erreicht, dass in Leipzig gerade gemeinsam mit dem Landesschülerrat eine große Klimakonferenz vorbereitet wird.

"Und was tun Sie privat für den Umweltschutz?", wollen die Schüler wissen. Und Christian Piwarz muss zugeben, dass er gern Auto fährt, und dass ihm Angst und Bange wird bei der Diskussion, künftig nur noch auf Elektromobilität zu setzen. Das sei doch gerade die Crux, sagt der Minister: "Wir verteufeln funktionierende Technologien, haben aber noch keine funktionierenden Alternativen." In dieser Sache pflichtet ihm auch der SPD-Landtagsabgeordnete Thomas Baum bei, der auch noch Diesel-Fahrer ist. Aber anders als mit dem Auto käme er eben schlecht von seinem Wohnort Bad Muskau zur Arbeit in die Landeshauptstadt. Aber er kämpfe als verkehrspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion für mehr öffentlichen Nahverkehr, sagt Thomas Baum.

Von Christian Staat, dem Büroleiter des EU-Kommissars Günter Oettinger, wollen die Schüler wissen, was denn im Falle eines Brexit aus ihren Sprachreisen nach Wales wird. Das wisse er im Moment leider auch nicht, antwortet der Mann aus Brüssel. "Wir wissen ja immer noch nicht, wie sich Großbritannien entscheidet", erklärt er den Schüler. Falls es doch noch zu einem geordneten Brexit nach den Regeln der EU kommt, werde es die Sprachreisen und Schüleraustauschprogramme auch weiterhin geben. Aber wenn nicht? Dann wird das wohl komplizierter, ahnt Christian Staat.

Thomas Baum, der SPD-Abgeordnete, würde sich sogar wünschen, dass die Briten einen Schritt zurückgehen und es überhaupt nicht zum Brexit kommt. Wenn Großbritannien die EU verlässt, dann schadet das der Wirtschaft in Sachsen auf jeden Fall, je nachdem, auf welche Art und Weise das geschehen wird, werden die Auswirkungen größer oder geringer sein, erklärt er den Schülern.

"Es ist schon krass, wie nahe uns Europa ist und wie viel uns das angeht", sagt eine Schülerin nach der Podiumsdiskussion. Später diskutieren die Schüler noch angeregt in Arbeitsgruppe weiter. Es geht um die Zittauer Kulturhauptstadtbewerbung, um das europäische Schüleraustausch-Programm "Erasmus" oder darum, was die EU eigentlich kostet und wofür sie ihr Geld ausgibt. Der Görlitzer Landrat Bernd Lange (CDU), der die Veranstaltung bei einem Besuch in Brüssel angeregt hatte, ist am Ende begeistert vom großen Interesse der Schüler am so fernen und doch so nahen Thema Europa.

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