Der Streit zwischen Dynamo und der Liga

Dresden. Die Fronten sind verhärtet, ein Kompromiss scheint kaum noch möglich zu sein. Wie sollte der jetzt auch aussehen? Den Antrag von Dynamo Dresden, den Abstieg zu annullieren und in der nächsten Saison mit 20 Mannschaften in der 2. Bundesliga zu spielen, hat die Deutsche Fußball-Liga (DFL) abgelehnt, genauer: das Präsidium. Es will die Mitglieder des Zusammenschlusses, also die 36 Erst- und Zweitligisten, nicht einmal abstimmen lassen.
Schlimmer kann man einen Verein kaum abblitzen lassen, auch wenn Dynamo selbst nach dem damit quasi endgältig besiegelten sportlichen Abstieg nicht mehr zu dem illustren Kreis gehört. Offenbar fehlt den Dresdnern auch die Unterstützung. Im persönlichen Gespräch habe ihm ein DFL-Präsidiumsmitglied mitgeteilt, dass der Vorschlag nicht mehrheitsfähig sei, berichtet Michael Born in der Pressemitteilung des Vereins. Und der Geschäftsführer der SGD hält dagegen, „dass eine solche Rücksprache mit vereinzelten Vereinen der Liga keinen repräsentativen Charakter/Anspruch haben kann“.
Trotzdem ist zu bezweifeln, dass sich eine Mehrheit für die Aufstockung organisieren ließe. Selbst die Ankündigung, auf einen erheblichen Teil des Fernsehgeldes zu verzichten, das dann unter 20 anstatt 18 Klubs aufgeteilt werden müsste, dürfte die Position kaum nachhaltig verbessern. Es fehlt den Dresdnern schlichtweg der Rückhalt, wie sich bereits mit dem Neustart gezeigt hat.
Als am 9. Mai klar war, dass die Mannschaft sowie Trainer und Betreuer wegen positiver Corona-Fälle in Quarantäne müssen, stellte DFL-Geschäftsführer Christian Seifert im ZDF-Sportstudio unverzüglich klar, dass dies für den Zeitplan des Re-Starts unerheblich sei. Dynamo hatte dennoch versucht, den Wiederanfang der zweiten Liga komplett um zwei Wochen zu verschieben. Nach Informationen der SZ unterstützten jedoch nur Holstein Kiel und Erzgebirge Aue diese Variante.
"Vielleicht sind wir kein Notfall"
Dabei hätte es die Möglichkeit gegeben, die Saison über den 30. Juni hinaus zu verlängern. „Es gibt dafür einen Notfallplan, aber vielleicht sind wir kein Notfall“, hatte Cheftrainer Markus Kauczinski zu der Option gesagt – und auf die Frage, ob Dynamo die Lobby fehlt, geantwortet: „Ich versuche, das nicht persönlich zu nehmen, denn sonst drehst du durch zu Hause in dieser Hilf- und Machtlosigkeit. Ich bin kein Verschwörungstheoretiker und will es auch nicht werden.“
Zumindest hätten bei einer Streckung des Terminplans alle im gleichen Rhythmus englische Wochen spielen können und müssen wie in der 3. Liga. Als Wettbewerbsnachteil wären die zwei Wochen ohne fußballspezifisches Training erheblich genug gewesen. „Die körperliche Verfassung kriegt man nicht auf Knopfdruck hin. Das ist ein Prozess, den kann ich nicht verkürzen“, meinte Kauczinski.
So aber musste Dynamo nahezu ohne Vorbereitung und anders als die Konkurrenz acht Spiele in drei Wochen absolvieren, davon drei Auswärtsspiele binnen sechs Tagen als Deutschland-Rundreise: in Bielefeld, in Kiel, in Sandhausen. Mehrere gegnerische Trainer, darunter Uwe Neuhaus von Aufsteiger Arminia Bielefeld, zeigten Verständnis bis Mitleid für die schwierige Situation ihres Kollegen.
Kauczinski wusste jedoch, dass er gegen dieses Mammutprogramm wenig ausrichten kann: „Es gibt die Regel, dass 48 Stunden zwischen den Spielen liegen müssen, die ist erfüllt.“ An der Stelle kann Dynamo also kaum den Hebel ansetzen für eine mögliche Klage. In dieser Woche will die Geschäftsführung mit den Gremien des Vereins und den Anwälten das weitere Vorgehen abstimmen.
Dynamo schießt scharf zurück
Die DFL hat in ihrem Antwortschreiben eine „grundlegend andere Position“ eingenommen. Das betreffe auch den Vorwurf, die Beendigung der Spielzeit sei „aufgrund der konkreten Ansetzungen der SG Dynamo Dresden in rechtswidriger Weise erfolgt“. Born schießt verbal scharf zurück und unterstellt, die sportliche Integrität des Wettbewerbes spiele offenbar keinerlei Rolle. „Anders lässt sich die ablehnende Haltung der DFL nicht erklären“, meint der Geschäftsführer.
Der neuralgische Punkt für eine juristische Prüfung sind vermutlich die Corona-Tests, die Dynamo anzweifelt. Bei allen vier Spielern, die positiv auf das Coronavirus getestet worden sind, sollen bei Kontrolluntersuchungen keine Antikörper gefunden worden sein. Es bestünden „erhebliche Bedenken hinsichtlich der Zuverlässigkeit der PCR-Testungen“, heißt es in der Pressemitteilung. Es müsse angenommen werden, dass derartige Fehler in der Diagnostik der DFL haftungsrechtlich zuzurechnen sind.
Offenbar hatte es der Verein gegenüber der DFL drastischer formuliert. In dem Brief, aus dem der Kicker zitiert, weist der Ligaverband die Ansicht zurück, „das Labor in Jena sei bei der Durchführung der PCR-Tests als Erfüllungsgehilfe der DFL aufgetreten“. Das hieße, Dynamo würde sowohl dem Ligaverband als auch dem Labor quasi Kungelei und Vorsatz unterstellen. Das erscheint nicht nur absurd, sondern dürfte auch schwer nachzuweisen sein.
Die Fronten sind verhärtet. Dynamo tut gut daran, sich die nächsten Schritte genau zu überlegen und emotional runterzufahren. Mit einem Konfrontationskurs betreibt man jedenfalls keine Lobbyarbeit für die Zukunft und belastet den Neuanfang – in der 3. Liga. Andererseits trägt die DFL keinesfalls zur Deeskalation bei. Die starre Haltung, keine Abstimmung zuzulassen, also den demokratischen Prozess zu verweigern, zeugt von fehlender Souveränität und Arroganz gleichermaßen.