Ich war überrascht, aber es würde mich natürlich mit Stolz erfüllen. Es wäre eine Auszeichnung für den Verein, für den ich fast 20 Jahre gespielt habe.
In der Begründung heißt es unter anderem, Dresden sei nicht nur Kultur-, sondern auch Sportstadt. Wie erleben Sie diese zwei Facetten?
Das Interesse am Sport war in dieser Stadt schon immer sehr, sehr groß. Dresden ist eben nicht nur eine Fußballstadt. Nicht nur Dynamo hat regelmäßig einen großen Zuschauerzuspruch, sondern auch die Volleyball-Frauen, die Eishockey-Mannschaft und seit einiger Zeit die Handballer.
Wie bewerten Sie die Rolle des Sports in der Stadtpolitik?
Es wird sicher viel getan, gleichzeitig wäre immer noch mehr wünschenswert. Wir haben aus meiner Sicht zu spät das neue Stadion gebaut, das hätte man idealerweise im Vorfeld der Fußball-WM 2006 machen müssen. Und wir stoßen auch bei den Hallensportarten an Grenzen, was die Zuschauerzahlen und die Vermarktung betrifft. Wir haben zwar die wunderbare Ballsportarena, die ein privater Investor gebaut hat, aber schon jetzt für die Handballer fast zu klein ist. Infrastrukturell müsste mehr getan werden. Es wäre an der Zeit, eine Multifunktionsarena zu bauen. Was außerdem fehlt, sind solche Veranstaltungen wie früher die Leichtathletik-Sportfeste. So etwas gehört dazu, wenn man sich als Sportstadt bezeichnet.
Wären Sie heute noch mal gerne Spieler?
Ja, das könnte ich mir gut vorstellen. Ich hatte eine sehr gute Zeit als Spieler, die war anders als heute.
In Zeiten von Handys und sozialen Netzwerken könnten Sie keinen Schritt mehr unbeobachtet machen.
In der Beziehung hatten wir es natürlich viel besser, konnten auch mal ausbüxen. Aber heutzutage gehört es dazu, die Spieler wissen das und müssen damit umgehen. Man muss ja nicht alles mitmachen, kann sich zurückhalten.
Seit 2013 sind Sie als ehrenamtlicher Aufsichtsrat bei Dynamo in der Verantwortung. Wie konnte es passieren, dass die Mannschaft für diese Saison schlecht aufgestellt war?
Das ist eine zu einfache Sicht. Es gab mehrere Gründe. Wir haben es in der Hinrunde nicht geschafft, eine Stammelf auf den Platz zu bringen. Fast alle Spieler außer dem Torwart wurden auf den Positionen hin und her geschoben. Das hat aus meiner Sicht zu einer Verunsicherung der Mannschaft und der einzelnen Spieler geführt, wodurch sie nicht in der Lage waren, ihr Leistungsvermögen, das sie mit Sicherheit haben, über 90 Minuten auf den Platz zu bringen.
Wenn man das im Nachhinein betrachtet, hätte man eher versuchen müssen zu handeln.
Wie wurde die Diskussion denn im Aufsichtsrat geführt?
Wenn irgendetwas schiefläuft, heißt es in der Öffentlichkeit: Der Aufsichtsrat, der Aufsichtsrat... Wir entlassen doch keinen Trainer! Wir können unsere Meinung sagen, aber nicht in das operative Geschäft eingreifen.
Wenn aber im Sommer 1,7 Millionen Euro vom Budget für die Mannschaft übrig sind, wie es auf der Mitgliederversammlung hieß, muss dann nicht auch der Aufsichtsrat stutzig werden?
Wir sind erstmal froh, wenn wir positiv wirtschaften. Aber das darf nicht zu Lasten des sportlichen Erfolges gehen. Wir sind uns im Aufsichtsrat einig, dass wir die erforderlichen Mittel bereitstellen.
Wenn man im Winter sechs Spieler verpflichtet, ist das ein Beleg, dass der Kader nicht ausreichend zusammengestellt war.
Sonst wären wir nicht Tabellenletzter. Aus der Position hat sich ergeben, dass wir im Winter etwas tun müssen. Wir haben - davon bin ich überzeugt - Spieler geholt, die uns verstärken und mit denen wir versuchen müssen, aus der Misere herauszukommen.
Wieso hatte man die nicht im Sommer geholt, obwohl die Mannschaft in den zwei Jahren zuvor bereits um den Klassenerhalt bangen musste?
Es kommt darauf an, welche Spieler man bekommen kann. Man muss klar sagen, dass wir einen Marco Terrazzino jetzt nur holen konnten, weil er in Freiburg nicht mehr gespielt hat. Ähnlich bei Patrick Schmidt in Heidenheim. Die wären im Sommer nicht gekommen. Josef Husbauer hat mit Prag noch Champions League gespielt, aber sie wollen jetzt eine neue Mannschaft aufbauen. Diese Möglichkeiten haben sich erst jetzt ergeben. Für vier haben wir die Kaufoption, aber ob wir sie halten können, müssen wir sehen.
War es für Sie angesichts der Situation vor Weihnachten eine Überlegung, direkt den Neuaufbau für die 3. Liga anzugehen?
Da wären wir ja verrückt gewesen! Nur weil wir als Tabellenletzter sechs, sieben Punkte Rückstand hatten, wenn noch 16 Spiele zu machen sind? Dann wären wir schlechte Fußballer und keine Kämpfer. Trotzdem müssen wir es im Auge behalten und für den Fall ein paar Weichen stellen mit Ralf Minge zusammen. Wir dürfen auch nicht erschrecken, wenn es vielleicht in der Relegation doch passieren sollte, dass wir absteigen.
Mit Ralf Minge als Sportgeschäftsführer?
Warum nicht?
Sein Vertrag ist noch nicht verlängert worden. Würde er denn weitermachen?
Ralf ist ein Kämpfer. Ich glaube nicht, dass er jetzt sagt, er macht Schluss. Ich denke vielmehr, dass wir mit ihm auch den Weg in die 3. Liga gehen würden und er dazu bereit wäre.
Es ist nicht Schlechtes daran, wenn ein Sportdirektor ein schlechtes Gewissen hat angesichts der Summen, die heutzutage im Raum stehen. Für die Entwicklung kann er nichts, aber er ist auch nicht blauäugig und kann damit umgehen.
Waren Sie überrascht, als er Markus Kauczinski als neuen Trainer vorgeschlagen hat?
Ich war natürlich informiert. Wenn man seine Ära verfolgt, hat er den Trainerjob - angefangen im Nachwuchs - von der Pike auf gelernt. Er kennt sich in der zweiten Liga aus und ist ein erfahrener Chefcoach, der - und das meine ich nicht abwertend - ganz einfachen Fußball spielen lässt, keinen Tikitaka oder von hinten raus schon den Doppelpass. Jeder hat seine klare Aufgabe, deshalb tritt die Mannschaft anders auf.
Ist der Neustart mit vier Punkten aus den ersten beiden Spielen des neuen Jahres gelungen?
Das kann man so sagen. Was für mich fast wichtiger ist als die Punkte: Wie sich die Mannschaft präsentiert. Sie ist sehr konzentriert und jeder Einzelne weiß, was seine Aufgabe ist. Das schweißt zusammen. Wenn man sich über die Defensive die Sicherheit holt, wird auch das Spiel nach vorn besser. Trotzdem muss man mit Rückschlägen rechnen.
Im Leitbild des Vereins heißt es: Wir haben einen Traum. Gemeint ist der Europapokal. Haben Sie diesen Traum auch?
Es wäre vermessen, jetzt von Dingen zu reden, die vielleicht in ferner Zukunft liegen. Das Wichtigste ist es, die Klasse zu halten und dann eine schlagkräftige Mannschaft für die kommende Saison zusammenzustellen.
Man muss vorsichtig sein, wenn man so etwas sagt. Aber es wird uns wahrscheinlich nichts anderes übrig bleiben, als finanziell auch mal ein höheres Risiko eingehen. Aber es darf nicht so passieren wie in der Vergangenheit.
Noch mal zum Traum: Bundesliga, Europapokal. Ist das für Dynamo noch möglich in Zeiten, in denen Klubs wie RB Leipzig, Hoffenheim und andere von Konzernen oder Mäzenen groß gemacht werden?
Es wird sehr schwer, aber andere Vereine wie Paderborn und Union Berlin machen es uns vor . Die Frage ist dann, wie geht es weiter? Ist es nachhaltig oder droht der Absturz. Wir sollten jedenfalls vernünftig sein und bis zum Sommer nur einen Traum haben...
Den Klassenerhalt. Ist die Erwartungshaltung in Dresden und bei Dynamo, die sich ja auch aus Ihren Glanzzeiten ergibt, generell zu hoch?
Man soll sich hohe Maßstäbe setzen, aber die Vergangenheit auch mal ruhen lassen. Man kann die 1070er-, 80er-Jahre nicht mit 2020 vergleichen. Wir hatten in Dresden eine Mannschaft gespickt mit Nationalspielern, heute haben wir einige, die im Nachwuchs in der Auswahl spielen. Aber es sind Zweitligaspieler. Das sollte man nicht mit früher vergleichen, dazu ist im Verein auch zu viel passiert wie der Zwangsabstieg 1995 und die Turbulenzen danach mit dem Sturz in die Viertklassigkeit. Das darf man nicht vergessen. Wir haben keine Entwicklung auf konstant hohem Niveau wie Bayern München. Man sollte seine Möglichkeiten realistisch einschätzen.
Das Gespräch führte Sven Geisler.
Hans-Jürgen "Dixie" Dörner hat die erfolgreichen Zeiten bei Dynamo maßgeblich mitgeprägt, war als offensiv denkender Libero ein Motor für den "Dresdner Kreisel". Dörner bestritt für die Schwarz-Gelben 557 Pflichtspiele, so viele wie kein anderer.
Der heute 69-Jährige stand in 65 von insgesamt 98 Europapokalspielen der Vereinsgeschichte auf dem Platz, holte je fünf Meistertitel und Pokalsiege. Zudem war er als Nationalspieler 100-mal für die DDR im Einsatz, gewann mit der Mannschaft 1976 in Montreal Olympiagold und wurde dreimal als "Fußballer des Jahres" geehrt. Doch nun sagt er auch: "Man sollte die Vergangenheit mal ruhen lassen."