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"Er hat den Verein aus der Lethargie geholt"

Er ist noch verletzt, sein Einfluss trotzdem groß: Marco Hartmann sagt im SZ-Interview, was bei Dynamo vor dem Trainerwechsel schief lief  und warum es jetzt besser wird.

Von Sven Geisler
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Auf dem Platz gab Marco Hartmann in dieser Saison bisher nur elfmal die Richtung vor. Wie er seine Rolle trotzdem wahrnimmt, erklärt er im Interview.
Auf dem Platz gab Marco Hartmann in dieser Saison bisher nur elfmal die Richtung vor. Wie er seine Rolle trotzdem wahrnimmt, erklärt er im Interview. © Robert Michael

Muskelfaserriss, Knieprobleme, Rippenbruch – und nun seit Anfang Februar ein Teilriss einer Sehne im rechten Oberschenkel: Dynamos Kapitän Marco Hartmann konnte die Schwarz-Gelben in dieser Saison bislang nur elf Mal auf den Platz führen. Wie er seine Rolle trotz der Verletzungen wahrnimmt und wie er seine Zukunft sieht, darüber spricht er im Interview mit der SZ.

Marco Hartmann, wann kehren Sie auf den Fußballplatz zurück?

Das steht leider noch nicht genau fest. Ich absolviere derzeit ein Reha-Training, fahre locker Fahrrad, mache Kraft für den Oberkörper. Am 25. März habe ich eine Kontrolluntersuchung, bis dahin werde ich die Intensität beim Laufen langsam steigern. Ich hoffe, dass die Sehne dann ausgeheilt ist und ich wieder an den Ball darf.

Wie sehr nervt es Sie, sich immer wieder nach Verletzungen zurückkämpfen zu müssen?

Es ist schwierig, weil ich mich notgedrungen schon seit längerer Zeit damit befassen muss, Dinge verändert und versucht habe, mich besser vorzubereiten. Ich habe eine Einheit in der Woche für mich gehabt, spezielle Übungen gemacht. Es ist schon ein bisschen frustrierend, weil auch die Erklärungen für sich selbst ausgehen, aber es war eine Aktion, bei der ungünstige Kräfteverhältnisse wirkten. Für mich galt es, die Situation anzunehmen und so schnell wie möglich gesund zu werden. Das wirkt jetzt vielleicht kühl, aber wenn es so häufig passiert, stumpft man wahrscheinlich ab.

Das klingt tatsächlich rational. Wieso wechseln Sie nicht in Ihren Beruf, machen das Referendariat und arbeiten als Mathelehrer am Gymnasium?

Das steht für mich nicht zur Debatte, weil es cool ist, Fußball zu spielen. Natürlich ist eine Reha-Phase total nervig, vor allem das Gefühl, nicht helfen zu können. Aber übertrieben gesagt: Das ist fast wie Urlaub. Ich bin zwei, drei Stunden im Stadion für die Reha. Und es ist ja nicht so, dass mein Körper mir im Alltag Probleme bereitet, da bin ich schmerzfrei und denke: Lasst mich doch Fußball spielen! Aber das macht im Moment leider noch keinen Sinn.

Machen Sie sich Sorgen über Folgeschäden oder Ihren Körper zu sehr auszubeuten?

Ich gehe davon aus, im April wieder auf dem Platz zu stehen und von dieser Verletzung nie wieder etwas zu merken. Vielleicht rede ich mir das ein bisschen schön. Mein Opa hat immer gesagt: Junge, die Fehler, die du in der Jugend machst, wirst du in meinem Alter merken. Wenn er recht behält, hätte ich ein Problem.

Kann man Kapitän einer Mannschaft sein, wenn man oft verletzt fehlt?

Tja, schwierig. Als Persönlichkeit kann ich das auch ausfüllen, wenn ich nicht dabei bin. Auf dem Platz nimmt natürlich einer wie Patrick Ebert, der in dieser Saison fast genauso viele Spiele als Kapitän gemacht hat wie ich, die gleiche Rolle ein. Aber was die Mannschaft angeht, in der Kabine, bei den Jungs sein, ein offenes Ohr haben, über gewisse Dinge reden – da bin ich mir sicher, dass das funktioniert.

Im Gespräch mit dem Trainer: Auch bei Maik Walpurgis war die Meinung von Marco Hartmann gefragt.
Im Gespräch mit dem Trainer: Auch bei Maik Walpurgis war die Meinung von Marco Hartmann gefragt. © Robert Michael

Sie haben vor dem Anstoß in Darmstadt im Kreis die Ansprache gehalten, obwohl Sie nicht spielen konnten …

Ja, na klar. Weil es mir ein Bedürfnis war, noch mal mit den Jungs zu reden. Ich denke, dass ich nicht nur wegen der Kapitänsbinde, sondern als Mensch einen Draht habe zu ihnen.

Das Spiel ging 0:2 verloren, Trainer Maik Walpurgis wurde entlassen. Was man jetzt hört, war die Stimmung nicht gut. Wie schätzen Sie das ein?

Wenn du nicht erfolgreich bist, kann die Stimmung nicht gut sein. Die Situation war nicht einfach. Deshalb habe ich versucht, noch mal gewisse Dinge zu forcieren – ohne jetzt ins Detail zu gehen.

Ich frage trotzdem nach: Was ist denn schief gelaufen?

Ein großes Problem war, dass die Überzeugung für das, was wir auf dem Platz machen, nie so richtig angekommen ist. Ich habe nach jedem Spiel gesagt: Du siehst den Jungs an, dass sie wollen, aber es fehlt ein Punkt, um Energie freizusetzen, indem du denkst: Geil, darauf habe ich Bock! Die Mannschaft ist für eine gewisse Art, Fußball zu spielen, zusammengestellt worden. Das ist es, was mich jetzt hoffnungsfroh stimmt. Weil eine Motivation von innen heraus kommt, die du von außen nicht erzeugen kannst.

Walpurgis ist also mit seiner Spielidee nicht angekommen?

Das wäre die harte Schlussfolgerung. Es gab auf jeden Fall Widerstände. Irgendwann war es so weit, dass versucht wurde, das umzusetzen, was vorgegeben war, aber es hat nicht funktioniert.

Dienst nach Vorschrift?

Das ist im Fußball nicht unüblich. Du hast 26 Leute und jeder eine Idee, bei vielen die, am besten selbst auf dem Platz zu stehen. Dann kommt das zustande.

Und warum wird das jetzt unter Cristian Fiel als Cheftrainer besser?

Für mich gab es keine andere Wahl, ich freue mich sehr darüber. Er hat den Verein von jetzt auf gleich aus einer gewissen Lethargie geholt, genau wie die Mannschaft – und das war klar nach seinen drei Wochen als Interimscoach. Einen besseren Push hätte es nicht geben können. Dieses Momentum müssen wir jetzt nutzen, am besten gegen Magdeburg gewinnen und danach punkten, punkten, punkten. Ich habe gegen Bochum auch auf der Tribüne gesessen und nach einer Viertelstunde gedacht: Was passiert hier gerade? Doch danach war diese Energie zu spüren, die ich meine.

Wie ist es für Sie, dass ein ehemaliger Mitspieler jetzt Ihr Chef ist?

Das ist für mich kein großer Unterschied. Ich konnte sowohl mit Uwe Neuhaus als auch zu Maik Walpurgis offen kommunizieren, meine Meinung war gefragt, und ich durfte sagen, was ich denke. Bei Fielo ist das ähnlich. Ich bin ein Typ, der Menschen gegenüber Respekt entgegenbringt, wie es sich gehört. Genauso ist er auch. Für mich ist trotzdem klar, dass er jetzt Cheftrainer ist. Was er entscheidet, werde ich akzeptieren, egal, ob ich das gut finde oder schlecht.

Vor fünf Jahren waren sie noch gemeinsam im Trainingslager im Zillertal: Dynamos heutiger Cheftrainer Cristian Fiel, Marco Hartmann und Niklas Kreuzer (v. l.).
Vor fünf Jahren waren sie noch gemeinsam im Trainingslager im Zillertal: Dynamos heutiger Cheftrainer Cristian Fiel, Marco Hartmann und Niklas Kreuzer (v. l.). © Lutz Hentschel

Mit Markus Schubert gibt es bei Dynamo ein Torwart-Projekt, Fiel ist das Trainer-Projekt – sind Sie das Sportdirektor-Projekt?

Ich mache mir natürlich Gedanken über meine Zukunft, kann es mir im Moment aber nicht vorstellen. Je mehr ich sehe, was auf mich zukommen würde, desto schwerer fällt mir der Gedanke. Was Ralf (Minge /d. A.) leistet und leisten muss, steht im Konflikt zu meinen Vorstellungen von einem privaten Leben.

Es gibt also keinen Karriereplan?

Nein. Es gab mal die Überlegung, darüber zu reden bei meiner letzten Vertragsverlängerung. Aber da war ich 28 und habe gesagt: Die Zeit wird es bringen.

Würden Sie denn eine Ansage von Ihrer Freundin Jule bekommen?

Als wir nach Dresden gewechselt sind, hat sie gesagt: So lange du Fußball spielst, entscheidest du – danach ich. Mit einem Grinsen zwar, aber ich weiß nicht, wie ernst das gemeint ist. Jetzt arbeitet sie hier als Lehrerin am Gymnasium, unser Sohn geht in die Kita, er wird nächste Woche zwei.

Sie haben bei Dynamo einen Vertrag bis Juni 2020. Wie sieht Ihr persönlicher Karriereplan danach aus?

Ich lese gerade viele Zeitschriften übers Reisen, würde aber gerne noch drei Jahre Fußball spielen, wenn es der Körper zulässt. Dann bin ich 34 und unser Kleiner fünf. Dann wird es Zeit, los zu reisen, sonst wird es eng mit der Schule. Oder es muss einen anderen Plan geben.

Haben Sie ein Traum-Reiseziel?

Die Welt. Alles sehen, was man mit Familie machen kann.

Das Gespräch führte Sven Geisler.