Schubert spricht – aber kaum über Dynamo

Markus Schubert weiß, was ihm blüht: Wenn es normal läuft, wird er keine Minute spielen. Trotzdem ist der nun bald ehemalige Torwart von Dynamo Dresden froh, dabei zu sein. Schließlich geht es nicht um seinen neuen Verein, den er entweder noch nicht hat oder weiter für sich behalten will. Über mögliche Optionen ist reichlich spekuliert worden, seit er das Angebot seines Heimatvereins abgelehnt hat mit der Aussage, einen Wechsel in die Bundesliga anzustreben. Damit hat er die Fans gegen sich aufgebracht und den Sportgeschäftsführer verärgert.
Ralf Minge wählte in einer Pressekonferenz jedenfalls ungewohnt drastische Worte, um die Art und Weise, wie vor allem Schuberts Berater aufgetreten sind, zu geißeln. Auch für den bald 21 Jahre alten Torhüter, dessen Karriereplan bis zur Nummer eins bei Dynamo Minge mit ihm entworfen und umgesetzt hatte, zeigte er kein Verständnis.
Schubert hat sich seither nicht geäußert - und nun ein Interview gegeben. Auf der Internetseite des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) spricht er ausführlich, aber ausschließlich über seine Rolle bei der U21-Nationalmannschaft. Auswahltrainer Stefan Kuntz hat ihn etwas überraschend neben Alexander Nübel, bei Schalke 04 die Saison-Entdeckung, und dem Mainzer Florian Müller für die Europameisterschaft in Italien und San Marino nominiert. Das ist fast genauso spannend wie die Frage, für welchen Verein Schubert künftig spielt, denn es gab mit Moritz Nikolas (Mönchengladbach), Nils Körber (Osnabrück) und Svend Brodersen (St. Pauli) weitere Kandidaten.

"Ich habe mich riesig gefreut, als der Anruf kam und mir mitgeteilt wurde, dass ich dabei bin", sagt Schubert in dem Gespräch für dfb.de. Über Dynamo redet er darin nur an einer Stelle. Die Spielpraxis, die er in der 2. Bundesliga sammeln konnte, sei ein Grund gewesen, weshalb sich der Trainerstab um Torwartcoach Klaus Thomforde für ihn entschieden hat. Bevor er seinen Wechselwunsch geäußert hatte, war Schubert bei den Schwarz-Gelben die klare Nummer eins, hatte 31 Spiele plus eins im DFB-Pokal komplett bestritten und war - nach den Bewertungen aller Zeitungen in Dresden - der Spieler mit dem besten Noten-Durchschnitt, also mindestens der stabilste.
Ein zweiter Aspekt: Schubert ist jünger als die anderen Torhüter, er soll die EM-Teilnahme nutzen, um Erfahrungen zu sammeln und diese nach dem altersbedingten Personalwechsel mitnehmen in die neue U21. Bei der nächsten EM in zwei Jahren könnte er dann schon der Stammtorwart sein - oder bereits bei Olympia 2020 in Tokio. Bei der EM werden die ersten vier europäischen Tickets vergeben. Die Perspektive sehen die jungen Spieler jeden Tag, wenn sie im Trainingslager in Südtirol auf den Übungsplatz gehen, wo sie sich noch bis Dienstag auf das Turnier vorbereiten: "EM 2019 - Olympische Spiele 2020 - EM 2024" steht dort an den Scheiben.
Die Mannschaft arbeite entschlossen und konzentriert an ihrer Bestform fürs Turnier, berichtet Schubert. "Außerhalb der Trainingseinheiten zeichnen wir uns durch einen tollen Umgang untereinander und großen Zusammenhalt aus." Das gilt für das Team allgemein und für die Torhüter speziell. "Wir pushen uns gegenseitig, um unser Topniveau zu erreichen und auch mal unhaltbare Bälle zu halten." Es würde zwar jeder gerne im Tor stehen, das gilt zweifellos auch für Schubert als den Jüngsten im Bunde, aber: "Hier ist kein Platz für Egos."

Am letzten Dynamo-Arbeitstag beim EM-Finale?
Das interne Motto für die EM lautet: Dein nächster Schritt. Für Schubert könnte das kaum besser gewählt sein, denn natürlich steht er vor einer neuen Herausforderung, egal, bei welchem Verein er sich der ab der neuen Saison stellt. "Da ich, wie gesagt, einer der Jüngsten im Team bin, möchte ich die Erfahrungen hier aufsaugen und daraus gestärkt in die Zukunft gehen", sagt der in Freiberg geborene und in Nossen aufgewachsene Schlussmann. Dabei kann er sein Standing durchaus realistisch einschätzen: "Einige spielen seit gefühlt zehn Jahren in der Bundesliga. Als ich noch den Traum hatte, mal im Profifußball zu landen, haben sie teilweise schon in der ersten Liga gekickt."
Leroy Sane und Timo Werner etwa, aber auch Thilo Kehrer, Julian Brandt oder Kai Havertz wären noch spielberechtigt, gehören aber bereits zum Stamm bei Bundestrainer Joachim Löw. Jonathan Tah und Lukas Klostermann fliegen dagegen nach ihren Einsätzen im A-Team direkt zur U21. Mit Mahmoud Dahoud, Levin Öztunali, Waldemar Anton, Lukas Klünter und Nadiem Amiri stehen noch fünf Europameister von 2017 für die Mission Titelverteidigung im Aufgebot, zu dem damals mit Marvin Schwäbe auch Dynamos Torwart als Ersatzmann gehörte.
Schubert war bei seinem Profi-Debüt auch erst 17: Am 28. November 2015 stand er für Dynamo in der 3. Liga beim 0:0 gegen Preußen Münster im Tor. Nach neun Einsätzen in der zweiten Liga ab Januar 2018 wurde er für die abgelaufene Saison zur Nummer eins befördert - und ist noch lange nicht am Ende seiner Entwicklung. In dem Interview sagt er, dass er spielerisch starke Torhüter wie Manuel Neuer und Marc-André ter Stegen, aber auch Alisson Becker vom FC Liverpool bewundert. Vorigen Sommer konnte Schubert mit den besten deutschen Torhütern während der WM-Vorbereitung der Nationalelf trainieren. "Dort sieht man noch mal mehr, welche unglaubliche Ruhe und Souveränität Neuer und ter Stegen ausstrahlen."
Daraus leitet er sein Ziel ab. "Die Mannschaft muss Vertrauen haben und wissen: Da steht jemand hinter uns im Tor, der da ist, wenn mal ein Angriff durchkommt und der uns zur Not vor einem Gegentor retten kann." Seine Mitspieler bei Dynamo haben ihm vertraut - bis ihn Trainer Cristian Fiel nach seiner Wechsel-Ankündigung aus dem Tor nahm, um ihn vor der Reaktion der Fans zu schützen.
Bis 30. Juni steht Schubert formal bei Dynamo unter Vertrag. Wenn es optimal läuft, verbringt er seinen offiziellen letzten Arbeitstag im italienischen Udine - mit der U21 beim Finale der Europameisterschaft.