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Jetzt redet Minge über sein Aus bei Dynamo

Der Noch-Sportchef erklärt, wieso sein Vertrag nicht verlängert wird. "Damit keine weiteren Missverständnisse aufkommen." Auch der Oberbürgermeister reagiert.

Von Tino Meyer
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Ralf Minges Vertrag als Sportchef wird nicht verlängert. Nicht mal 24 Stunden nach der Erklärung des Aufsichtsrates meldet er sich zu Wort.
Ralf Minges Vertrag als Sportchef wird nicht verlängert. Nicht mal 24 Stunden nach der Erklärung des Aufsichtsrates meldet er sich zu Wort. © dpa-POOL/Robert Michael

Dresden. Die Pressemitteilung kommt am Dienstagnachmittag von seinem Anwalt. Ein formloses, aber sehr langes und inhaltsschweres Schreiben. Keine 24 Stunden nach der Erklärung von Dynamo Dresdens Aufsichtsrat, dass der Vertrag mit Sportgeschäftsführer Ralf Minge nicht verlängert wird, bezieht nun also Minge selbst Stellung. Er halte es für erforderlich, seine Sicht auf die Dinge auszusprechen, "damit keine weiteren Missverständnisse aufkommen". 

Es tue ihm leid, dass dieses polarisierende Thema ausgerechnet jetzt in der entscheidenden Phase der Saison in die Öffentlichkeit getragen wurde. Dies sei von ihm zu keiner Zeit beabsichtigt gewesen. "Ich hänge mit ganzem Herzen am Verein Dynamo Dresden, aber ganz sicher nicht an irgendeinem Posten", betont Minge.

"Ich hätte mir gern ein anderes Ende, einen anderen Abschied als Verantwortungsträger des Vereins gewünscht. Aber ich persönlich kann in den Spiegel schauen und das war mir in meinem Leben schon immer wichtig", so der 59-Jährige.

Ralf Minge: "Loyalität und Respekt unverhandelbar"

Auf knapp zwei DIN-A4-Seiten beschreibt der Noch-Sportchef dann die Entwicklung der vergangenen Monate. Und gleich zu Beginn stellt er fest, dass "für mich in der direkten Zusammenarbeit bestimmte Grundsätze wie Loyalität und Respekt unverhandelbar sind". Sie seien die Grundlage eines vertrauensvollen Mitarbeiters. Und gerade das ist aus Minges Sicht nun offenbar nicht mehr gegeben.

Bereits am 27. Dezember 2019 hat Minge demnach angesichts des sportlichen Absturzes auf den letzten Tabellenplatz in der 2. Fußball-Bundesliga dem Aufsichtsrat die Vertrauensfrage gestellt. Eine Abstimmung gab es jedoch nicht, das Thema wurde vertagt. Seitdem sei ihm aber klar gewesen, dass er seinen Vertrag nur bei voller Rückendeckung des Aufsichtsrats verlängern werde. 

Im Januar 2020 teilte ihm das Kontrollgremium dann jedoch mit, dass nicht alle Mitglieder einer Vertragsverlängerung zustimmen. "Daraufhin erklärte ich noch in diesem Gespräch, dass ich dann keine Basis für eine weitere Zusammenarbeit mehr sehe und in der Konsequenz für eine Vertragsverlängerung über den Juni 2020 hinaus auch nicht mehr zur Verfügung stehe", so Minge.

Beim Interview mit dem Fernsehsender Sky am Pfingstsonntag wusste Ralf Minge schon, dass er seinen Vertrag nicht verlängern wird. Sagen wollte er es bewusst nicht.
Beim Interview mit dem Fernsehsender Sky am Pfingstsonntag wusste Ralf Minge schon, dass er seinen Vertrag nicht verlängern wird. Sagen wollte er es bewusst nicht. © dpa-POOL/Robert Michael

Im März habe ihn der Aufsichtsrat allerdings dringend gebeten, zumindest befristet bis zum Ende des Jahres doch noch weiter zur Verfügung zu stehen. Anfang April stimmte Minge dem Ansinnen zu - erhielt jedoch am 19. Mai "zu meiner Überraschung" lediglich ein Vertragsangebot bis zum 30. September.

"Warum der eigene Vorschlag des Aufsichtsrates nun auf lediglich drei Monate verkürzt wurde, und warum dies denn nun eine besondere Wertschätzung darstellen soll, vermag ich nicht zu erklären", schreibt Minge, und er verdeutlicht: "Ich habe dem Aufsichtsrat dann vorige Woche mitgeteilt, dass diese kurzzeitige und so auch nicht besprochene Verlängerung für mich keine Option sei. Offensichtlich sollten hier auf meinem Rücken nur eigene Unzulänglichkeiten des Aufsichtsrates verdeckt werden."

Er werde immer ein Teil des Vereins sein und Dynamo auch künftig mit Rat und Tat zur Seite stehen, "wenn dies gewünscht ist". Nach Ende seine Vertrages werde er die neue Erfahrung, keine Verantwortung mehr für Dynamo zu haben, aber erst mal verarbeiten müssen.

Dirk Hilbert: "Diesen Schritt noch einmal überdenken"

Bei Facebook hat sich am Tag danach auch Dresdens Oberbürgermeister Dirk Hilbert geäußert. "Mit großem Bedauern" habe er zur Kenntnis genommen, dass die Zusammenarbeit zwischen Minge und Dynamo enden soll. 

"Für die Stadt Dresden sind dies keine guten Nachrichten, denn in den vergangen Jahren hat sich die Zusammenarbeit zwischen Verein und Stadt stark verbessert", schreibt Hilbert. Er wünsche sich, "dass alle Beteiligten diesen Schritt noch einmal überdenken".

Markus Kauczinski: "Jetzt herrscht Klarheit, und das ist gut so"

Auch Dynamos Trainer wirkt angeschlagen. "Ich muss das erst mal verdauen und verarbeiten, was heute alles passiert ist", sagt Markus Kauczinski. Er meint das allerdings ausschließlich bezogen aufs Sportliche. Für das Nachholespiel am Mittwochabend in Hannover fallen reihenweise Spieler aus, auf mindestens sechs Profis muss Dynamo verletzungsbedingt verzichten. 

Mitten im Abstiegskampf ist das der nächste Rückschlag für den Tabellenletzten. Dass die Zeit mit Minge endet, bringt Kauczinski am Dienstagmittag bei der Spieltagspressekonferenz nüchtern auf den Punkt. "Jetzt herrscht Klarheit, und das ist gut so", sagt der Trainer. Bereits am Montagvormittag hatte ihn der Aufsichtsrat über die Entscheidung in Kenntnis gesetzt - und Kauczinski damit zumindest nicht überrascht. "Dass beide Seiten nicht zusammenkommen, gibt es. Das kennt jeder, das ist überall so", meint der Cheftrainer, den Minge im Dezember nach der Trennung von seinem gescheiterten Trainerprojekt Cristian Fiel verpflichtet hatte

"Mir war klar, dass die Sache auch so ausgehen kann. Das weiß man, wenn sich Verhandlungen hinziehen. Und wenn es verschiedene Standpunkte gibt und das beidseitige Vertrauen nicht mehr da ist, ist es manchmal auch besser, wenn man sich trennt", sagt Kauczinski.

Er wirkt nachdenklich. Dynamos Trainer Markus Kauczinski beschäftigt allerdings nicht die Personaldebatte in der Führungsetage, er hat sportliche Sorgen.
Er wirkt nachdenklich. Dynamos Trainer Markus Kauczinski beschäftigt allerdings nicht die Personaldebatte in der Führungsetage, er hat sportliche Sorgen. © dpa/Sebastian Kahnert

Vor dem Training am Dienstagvormittag hat der Noch-Sportchef die Mannschaft kurz über die neuerliche Entwicklung informiert, die sich natürlich längst rumgesprochen hatte. "Es war sehr emotional. Ralf hat viele Spieler oder vermutlich sogar alle hier nach Dresden geholt, und fast mit allen hat er eine enge Verbindung", berichtet Kauczinski.

Zugleich habe Minge aber den Fokus auf den Abstiegskampf gelegt. "Ich glaube, dass es für uns auf dem Platz jetzt keine Rolle spielt. Im Gegenteil, vielleicht können die Jungs auch zeigen, dass sie ein bisschen für Ralf spielen", sagt der Trainer.

Wer Minge nachfolgt, interessiert ihn zunächst einmal nicht. Auch an den Spekulationen, wer der Neue sein könnte und was der denn mitbringen müsse, beteiligt er sich nicht. "Das müssen wir hier nicht breittreten. Das ist auch nicht meine Baustelle, das ist Aufgabe des Vereins. Ich habe andere Sorgen und Gedanken", sagt Kauczinski. Er wisse, dass ein Nachfolger gesucht wird und zeitnah gefunden werden soll. "Und dann geht´s weiter." 

Kaderplaner Kristian Walter jetzt noch mehr gefordert

Die sportliche Planung für die neue Saison wird nun vorrangig Kaderplaner Kristian Walter vorantreiben, auch Minge soll vorerst weiter mit eingebunden sein. Eckdaten sind bereits festgelegt, erste Vorgespräche mit Spielern auch schon geführt. Dynamos unsichere Perspektive macht die Sache jedoch ohnehin kompliziert. "Wir wissen ja sportlich noch nicht, wo es hingeht", sagt Kauczinski.

Seine Mannschaft hat als Tabellenletzter in der zweiten Liga derzeit sechs Punkte Rückstand auf den Relegationsplatz, allerdings auch drei Spiele weniger als die Konkurrenten im Abstiegskampf absolviert. Mit einem 0:2 gegen den Bundesliga-Absteiger VfB Stuttgart ist Dynamo am Pfingstsonntag nach der Corona-Zwangspause in die Restsaison gestartet, für die Partie am Mittwoch fallen die Winter-Neuzugänge Ondrej Petrak und Josef Husbauer aus sowie weiterhin Marco Hartmann, Baris Atik, Max Kulke und Justin Löwe aus.

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