Von Sven Geisler
Er ist wieder da, das heißt: Natürlich war er nie weg. Obwohl das im Sommer durchaus ein Thema war. Damals soll er Angebote von Bundesligisten bekommen, 1899 Hoffenheim und der Hamburger SV um ihn geworben haben. Mit seiner ersten Saison in der zweiten Liga hatte Niklas Hauptmann das Interesse geweckt. Doch er entschied sich, dort zu bleiben, wo er zu Hause ist: bei Dynamo in Dresden.
Natürlich habe er sich Gedanken über einen möglichen Wechsel gemacht. „Es wäre doch fahrlässig, das beiseitezuschieben“, sagt der 21-Jährige. „Aber ich bin hier, alles ist gut.“ Dabei lief diese Saison für Hauptmann bisher alles andere als optimal. In der Vorbereitung hatte er erst Adduktoren- und dann Wadenprobleme, musste das Trainingslager in Bayern abbrechen. Diese Phase, räumt er ein, sei wirklich schwierig gewesen, auch weil er „von Natur aus ein nachdenklicher Mensch“ ist, „manchmal vielleicht zu nachdenklich“.
Sein älterer Bruder Lucas, mit dem er in einer WG wohnt, habe erlebt, dass seine Laune in der Zeit „nicht so top“ war. Es fällt nicht leicht, geduldig zu sein, wenn man eigentlich nur spielen will. Als Hauptmann endlich wieder fit war, fehlte ihm der Rhythmus. „Ich wusste, dass es einige Zeit dauert, bis ich wieder das Gespür für gewisse Situationen habe“, sagt der technisch hochbegabte Mittelfeldspieler.
Über kürzere Einsätze gewann er die Sicherheit für seine Finten und Dribblings zurück und steht jetzt exemplarisch für Dynamos Aufschwung. Allerdings schmunzelt er darüber, dass ihn das Fachmagazin Kicker nach dem 3:1 in Düsseldorf in der Elf des Spieltages aufgestellt hat. „Ich denke, dass ich meine Leistung selbst gut einschätzen und einordnen kann“, meint Hauptmann – und sagt deshalb auch nach dem 4:0 gegen Erzgebirge Aue: „Ich bin sehr selbstkritisch.“
Dabei ist er tatsächlich mindestens nah dran an seinen Auftritten, mit denen er sich vorige Saison ins Blickfeld der Großen gespielt hat. Es seien die kleinen Dinge, die er verbessern könne, ein paar Fehler abstellen. „Ich bin 21, kann also nicht sagen: Es passt schon alles.“ Diese Einstellung ist es, die Dynamos Jüngster außer seinem außergewöhnlichen Talent anderen voraushat, die senkrecht starteten und dann doch nicht vorangekommen sind.
Abheben ist kein Thema
Beispiele dafür gibt es in der jüngeren Dynamo-Vergangenheit. Maik Kegel gab 2007 mit 17 sein Debüt in der damals noch drittklassigen Regionalliga und erzielte gleich ein Tor. Doch nach dem Aufstieg in die zweite Liga 2011 verpasste er es, den nächsten Entwicklungsschritt zu machen, sondern ging mit seinem Wechsel nach Chemnitz lieber einen zurück. Ralf Minge sagte einst über ihn, es wäre ungerecht, wenn jemand leben kann wie ein normaler Teenager und trotzdem Fußball-Profi wird. Inzwischen ist Kegel 27 und spielt bei Fortuna Köln – nach wie vor in der 3. Liga.
Hauptmann hat fußballerisch ähnliche Voraussetzungen, ist zudem jedoch handlungsschneller und vor allem weiß er, was er will. Ablenkung ist für ihn kein Thema, abheben schon gar nicht. Nach seinen ersten starken Spielen versuchte der Trainer noch, ihn vor dem Medienrummel abzuschotten, nach seiner Gala beim 2:0 in Würzburg hob ihn Uwe Neuhaus dann aber selber beinahe überschwänglich hervor: „Er ist ein Phänomen.“ So einer weckt Begehrlichkeiten, doch der Chefcoach mahnte – sicher nicht ganz uneigennützig – bereits im März: „Wenn er jetzt schon den nächsten Schritt macht, kann es ein Rohrkrepierer werden.“
Wie möglicherweise bei Marvin Stefaniak, der seinen Wechsel nach Wolfsburg im September 2016 verkündet und danach bei Dynamo ein schwächeres Jahr gespielt hat. Beim VfL hat er es bisher nicht in den Spieltagskader geschafft und nur dreimal für die zweite Mannschaft in der Regionalliga gespielt. Hauptmann will das nicht bewerten. „Ich kann nicht beurteilen, wieso es bei Marvin nicht läuft“, sagt er – nachdenklich machen dürfte es ihn allemal.
Sein Vertrag läuft bis 2020, ein vorzeitiger Abschied sei derzeit kein Thema. Er will erst mal sein Steigerungspotenzial ausschöpfen. Die Leistung im Sachsenderby gegen Aue sei ein wichtiger Schritt gewesen, aber: „Da ist auf jeden Fall noch Luft nach oben.“ Deshalb geht sein Blick nach vorn zum nächsten Ost-Duell am Samstag bei Union Berlin. „Das wird ein schönes Spiel, aber verdammt schwer. Ich hoffe, wir können den Schwung mitnehmen.“
Danach steht noch die Partie in Duisburg an – und dann bleibt endlich die Zeit, auf dieses Jahr 2017 zurückzublicken. „Es ist für mich gut gelaufen, fast perfekt“, meint Hauptmann und bezieht ausdrücklich die Verletzung und die folgende Schwächephase mit ein. „Ich glaube, das war genauso wichtig, weil nur, wenn man solche Phasen meistert, kommt man voran.“ Und sein Weg führt wohl eher früher als später in die Bundesliga.