Von Daniela Pfeiffer
Der Weinberg. Uff. Für viele Läufer des Europamarathons ist das immer eine Stelle, an der sie sich am liebsten hinschmeißen und keinen Schritt weiterrennen würden. Doch das Ziel auf der Elisabethstraße ist von hier aus nicht mehr fern, deshalb quält man sich dann doch die paar Meter noch.

Marathon-Chef Detlef Lübeck erhofft sich an Stellen wie dem Weinberg dieses Jahr mehr Unterstützung für die Sportler. Im Start- und Zielbereich auf der Elisabethstraße ist jedes Jahr die Hölle los – Volksfest pur. Doch entlang der Strecke, vor allem im ländlichen Bereich, fehle es noch an Leuten, die anfeuern. „Das würden wir uns am 2. Juni wirklich sehr wünschen“, sagt Detlef Lübeck und nennt als Beispiel, wie es gehen kann, eine kleine Gruppe, die in Schlauroth Jahr für Jahr an der Strecke steht, Musik spielt und anfeuert. Und das schon seit dem allerersten Marathon.
Der ist jetzt zehn Jahre her. Auch beim ersten Marathon war Detlef Lübeck schon mit der treibende Keil. Zusammen mit Dr. Rolf Weidle und dessen Cousin aus den alten Bundesländern. Der war selber Läufer und beim Nachdenken darüber, was man denn als Görlitzer Beitrag zum EU-Beitritt von Polen und Tschechien machen könnte, wurde die Idee eines grenzüberschreitenden Marathons geboren.
Mit Grauen erinnert sich Detlef Lübeck, der Vorsitzender des Vereins Europamarathon Görlitz-Zgorzelec ist, aber an die Tage und Wochen davor. „Ich würde lieber dreimal einen Marathon laufen als nochmal einen organisieren, dachte ich damals. Man wusste ja nichts. Erst beim Organisieren habe ich gemerkt, was da alles dran hängt.“ Am meisten hat ihn damals die Haltung der Stadtverwaltung geärgert. „Die haben die Hände gehoben und abgewartet, was daraus wird. Am Tag danach haben sie mir auf die Schulter geklopft.“
Heute, zehn Jahre Später, hat der 60-Jährige auch kein Problem mehr damit, zu erzählen, wie haarscharf der erste Lauf 2004 am Abbruch vorbeigeschrammt ist. Denn in Polen klappte die Verkehrssicherung plötzlich nicht mehr. Die ersten Läufer kamen über die Grenze, doch von Polizeimotorrädern und Absperrung keine Spur. „Ich fuhr damals als Begleitfahrzeug vorweg, den Kampfrichter im Auto“, erinnert sich Lübeck. Die Spitzenläufer mogelten sich irgendwie durch den Verkehr, kurze Zeit später wurde dann doch die Straße für den fließenden Verkehr gesperrt, und der Lauf war gerettet.
Es gab in den zehn Jahren viele Situationen, in denen Lübeck und seine Handvoll Mitstreiter sich die Haare gerauft haben. Unvergessen natürlich der schwere Unfall, als eine heftige Windböe 2006 ein Gerüst im Zielbereich umkippte und eine Helferin traf. Petra Vaßmers, die im Marathon-Verein für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist und hauptamtlich im Naturkundemuseum arbeitet, kann sich noch genau erinnern, war es doch eine Arbeitskollegin von ihr: „Die Kopfverletzungen waren sehr schwer, sie war viele Jahre krank.“
Sicherheitsfragen ganz anderer Art schießen Detlef Lübeck heute durch den Kopf, wenn es um die Bostoner Bombenanschlägen geht. Trotzdem hat dieses tragische Ereignis auf den Görlitzer Marathon keine Auswirkung. „Man kann so etwas nicht beeinflussen“, sagt Lübeck, der auch weltweit Marathons läuft. „Hätte ich mich jetzt beispielsweise zum New York-Marathon angemeldet, würde ich meine Meldung nicht zurückziehen.“ In Görlitz läuft Lübeck aber nicht mit – das hat er in den zehn Jahren nie getan. „Dazu bleibt keine Zeit, man bekommt auch von den Läufen nicht viel mit, so ist man mit Organisieren beschäftigt.“
Das beginnt schon Wochen vorher. Die Strecke muss festgelegt und vermessen werden, T-Shirts entworfen, die verschiedenen Läufe koordiniert werden – egal ob für Skater, Walker, Rollstuhlfahrer, Kinder, Kurzstrecken-, Halbmarathon- oder Marathonläufer.
Auch die Anmeldungsphase hat längst begonnen. Bis gestern hatten sich 690 Teilnehmer angemeldet. Ungefähr noch mal so viele, dann hätte man die Teilnehmerzahl vom Vorjahr (1357) erreicht. Lübeck ist zufrieden mit der Entwicklung der Teilnehmerzahlen. Immerhin liefen vor zehn Jahren nur 498 Leute mit, seit 2007 waren es immer über 1 000. „Nur echte Marathonläufer würden wir uns mehr wünschen. Das sind meistens nur um die 100, darunter die Hälfte aus Polen.“ Woran das liegen mag? Lübeck weiß es nicht. Sicherlich spiele die anspruchsvollen Strecke eine Rolle. Mit dem fiesen Weinberg am Ende.