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Ehemalige Motorenwerker gesucht

Zwei Paare aus dem Oberland lernten in Vietnam einen früheren Gastarbeiter kennen. Er möchte alte Kontakte beleben.

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© Matthias Weber

Von Romy Kühr

Oppach. Vor dem Bildschirm werden die Erinnerungen wieder lebendig. Frank Hauptmann und seine Frau Christine sitzen mit Ingo Stamer vor dem Laptop und lassen die letzte große Reise Revue passieren. Im Frühling waren Hauptmanns gemeinsam mit Ingo Stamer und dessen Frau in Vietnam. „Das hat uns schon immer mal gereizt“, sagt der Oppacher Frank Hauptmann, der fast jedes Jahr mit seiner Frau eine interessante Reise unternimmt.

Nguyen Phuc Tung
Nguyen Phuc Tung © privat

Bunte Märkte, exotische Pflanzen und blaue Meeresbuchten flimmern über den Monitor. Doch die verrückteste Vietnam-Erinnerung haben die beiden Ehepaare aus Oppach und Beiersdorf an ihren Reiseleiter vor Ort. „Er sprach sehr gut Deutsch und fragte uns, ob wir aus der Nähe von Löbau kämen“, berichtet Frank Hauptmann. Ihr Oberlausitzer Dialekt hatte sie offenbar verraten. Wie sich herausstellte, hatte der Vietnamese selbst einmal in der Oberlausitz gelebt. Nguyen Phuc Tung – so heißt der Mann – hat in den 1970er-Jahren im Motorenwerk Cunewalde gearbeitet. Wie viele seiner Landsleute kam der junge Mann damals nach seinem Studium in die DDR. Die vietnamesischen Gastarbeiter waren zu dieser Zeit bei den Einheimischen auch wegen ihrer Nebentätigkeit bekannt und beliebt. Nach Feierabend nähten sie Jeans und verkauften sie in den Wohnheimen. „Fast jeder hat sich dort Jeans nähen lassen“, erzählt Ingo Stamer. „So was gab es ja sonst nicht zu kaufen.“

Ein Päckchen Würfelzucker allein gegessen

Heute ist Nguyen Phuc Tung 64 Jahre alt und erinnert sich immer noch gern an seine Zeit in der Oberlausitz. Viele seiner Erinnerungen hat er den reiselustigen Ehepaaren aus dem Oberland auf ihrer zweiwöchigen Rundreise durch Vietnam erzählt. Zum Beispiel, dass er sich als erstes nach der Ankunft in der DDR im Konsum ein Päckchen Würfelzucker kaufte und allein aß. „So etwas kannte er von Zuhause nicht“, erzählt Frank Hauptmann. Die Zustände seien damals in dem Land sehr schlecht gewesen. Und dann gibt es noch die Anekdote vom Goldbroiler. Den kaufte sich Nguyen von seinem ersten Geld, das er hier verdient hatte, an einem Broilerstand. Zum Essen zog er sich im Wohnheim bis auf die Unterwäsche aus, um sich nicht zu bekleckern. Schließlich war er mit wenig Gepäck in die DDR gekommen und hatte nicht viel Kleidung dabei. Nguyen erinnerte sich auch noch, dass er beim Essen ein richtig schlechtes Gewissen hatte, weil er mit dem Broiler daheim in Vietnam eine ganze Familie hätte verköstigen können.

Um die Erinnerungen an die Zeit in Cunewalde und Umgebung aufleben zu lassen, möchte er gern Kontakte an seinen ehemaligen Wohnort knüpfen und sucht frühere Arbeitskollegen aus dem Motorenwerk. Ngyuen arbeitete von 1974 bis 1975 in Cunewalde. Er möchte noch einmal nach Deutschland reisen und die Gegenden besuchen, in denen er hier gelebt hat.

Jetzt geht es Ngyuen für vietnamesische Verhältnisse gut, erzählen die Familien Hauptmann und Stamer, die ihn in seiner Heimat trafen. Bis zur Wendezeit arbeitete er als Dolmetscher, kehrte dann in seine Heimat zurück. Seine guten Deutschkenntnisse halfen ihm dort, sich als Reiseleiter zu etablieren. Nun begleitet er Touristen bei Rundreisen durch das Land.

Wer Nguyen Phuc Tung noch kennt, kann sich bei Familie Hauptmann in der Mondschänke in Oppach melden. Sie vermittelt den Kontakt: Telefon: 035872 39335