Von Carmen Schumann
Die Adresse des Gasthauses „Blumenstüb’l“ in Luttowitz lautet: Am Bahnhof. Das ist verwunderlich, sind doch weit und breit keine Gleise zu sehen. Für den Uneingeweihten erstaunlich ist außerdem, dass der Gasthof zu Luttowitz gehört. Denn aus Luttowitz kommend hat man bereits den Ort Merka durchquert, ehe man auf das „Blumenstüb’l“ stößt.
Elvira Bossog, die Inhaberin der kleinen Gaststätte klärt auf: „Wir sind der letzte Zipfel von Luttowitz. Der damalige Gutsbesitzer wollte unbedingt, dass der Bahnhof noch mit zum Ort gehören sollte.“ Allerdings sei die Bahnstrecke Weißenberg-Radibor bereits 1972 stillgelegt worden. Im August 1979 hatte Elvira Bossog mit ihrem Ehemann Reinhard das Bahnhofsgebäude gekauft. Das Ehepaar wohnte bis dahin in Merka.
Elvira Bossog, die bis zur Wende beim Landtechnik-Betrieb in Luttowitz landwirtschaftliche Maschinen repariert hatte, machte sich nach der Wende mit einem Blumenhandel selbstständig. Die Pflanzen zog sie im eigenen Gewächshaus. Gleichzeitig bot sie den Kunden einen kleinen Imbiss an. Nach einem Besuch 1992 bei ihrer Tochter am Bodensee kehrte sie mit vielen Inspirationen zurück. Mit großem Elan und der Hilfe einiger Luttowitzer baute das Ehepaar das Bahnhofsgelände umfangreich aus und um. „Und zwar alles aus eigener Kraft, ohne Kredite“, betont die Gastwirtin. Für die Unterstützung durch die Familie und die Nachbarn ist Elvira Bossog sehr dankbar. Um das Gasthaus betreiben zu können, absolvierte sie 1993 bis 1994 eine von der Handelskammer Kamenz organisierte Gastronomie-Ausbildung. Ihr „Blumenstüb‘l“ bewirtschaftet die rührige Wirtin ganz alleine, das heißt, sie kocht und bedient. Nur bei größeren Familienfeiern oder anderen Veranstaltungen greift sie auf die Hilfe ihrer zweiten Tochter Doreen und ihres Ehemannes zurück. Höhepunkte sind die Schlachtfeste im November und März. Die Schweine wachsen auf dem eigenen Hof heran. Seit 2003 haben die Tiere ihr Domizil in der ehemaligen Fahrkartenausgabe des Bahnhofes. Den Winter über ist das Blumenstüb‘l nur zum Frühschoppen am Sonntag und für Feierlichkeiten geöffnet. Erst ab Ostern geht es wieder richtig los. „Die Gäste kommen vor allem aus den umliegenden Dörfern“, sagt Elvira Bossog. „Auch die Radfahrer entdecken zunehmend unser Lokal, obwohl hier gar kein Radweg entlang führt.“
Wirtin schnitzt Gemüsekunst
An Feiertagen wie Ostern, Pfingsten oder Weihnachten sowie an Himmelfahrt kann sich die Wirtin immer über ein volles Haus freuen. Ein wichtiges Standbein ist für sie der Partyservice. Unter anderem bietet sie dabei gegrilltes Schwein an. Die Krönung sind jedoch die von ihr geschnitzten Dekorationen aus Obst und Gemüse. Vor sechs Jahren entdeckte Elvira Bossog ihre Liebe zur chinesischen Gemüseschnitzkunst, die sie seither mit großer Leidenschaft ausübt. „Von 2003 bis 2005 besuchte ich einen Lehrgang bei einer Fortbildungseinrichtung in Neukirch“, erzählt sie. Außerdem hat sie einen „grünen Daumen“. Überall in den Räumen der Gaststätte zieht sie Pflanzen mit Südfrüchten heran.