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Eifrige, die sich ereifern

Es ist ein Kreuz mit den Leuten. Sie sehen den kleinsten Splitter im Auge des Mitmenschen sofort, nur den Balken im eigenen nicht. Das hat schon Jesus bemängelt, aber auch 2 000 Jahre später sind wir nicht viel weiter, fürcht’ ich.

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Es ist ein Kreuz mit den Leuten. Sie sehen den kleinsten Splitter im Auge des Mitmenschen sofort, nur den Balken im eigenen nicht. Das hat schon Jesus bemängelt, aber auch 2 000 Jahre später sind wir nicht viel weiter, fürcht’ ich. Da hat der Günter Grass also dem SPD-Parteifreund Karl Schiller vor 37 Jahren dringend geraten, mit seiner SA-Vergangenheit offensiv aufzuräumen, und brauchte selbst noch Jahrzehnte, um die eigenen Verwicklungen sich und anderen einzugestehen. Es sind die Obereifrigen, die sich am Andern ereifern. Ist doch komisch, oder?

Diesen Eindruck gewinnt man jedenfalls auch, wenn man die Debatten der letzten Wochen in der Kreisstadt verfolgt. Böse Worte fliegen verdammt schnell in den gegenüberliegenden Schützengraben, ganz so, als ginge es jedesmal um Krieg oder Frieden. Das ist nicht der Fall. Und so sind auch die gelegentlich hochkommenden Mahnungen an die SZ, der einen oder anderen Partei bloß keinen Platz mehr in den (Leserbrief)-Spalten einzuräumen, im Grunde unredlich. Die Kamenzer Redaktion will den Austausch dessen, was in den Köpfen ist, weil nur so die Demokratie funktioniert. Manche ereifern sich freilich auch gegen diese selbst. Jene seien daran erinnert, dass sie ein hohes Gut und derzeit nichts Besseres auf dem Markte ist, dem es nachzueifern lohnte. Und zur Volksherrschaft passt ja auch der Volksmund: „Ein jeder kehre zuerst vor der eigenen Tür.“

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