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Eigene Brauerei im Niederdorf

Hartmut Trautmannentdeckt die Königshainer Heimatgeschichte.

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Von Carola Gerlach

Der lange Winter ist dem Königshainer Hartmut Trautmann gerade recht gekommen. So hatte der Rentner genügend Zeit, um sich seinem großen Hobby zu widmen – der Heimatgeschichte.

Aus der Feder des 63-Jährigen stammt bereits die chronologische Aufarbeitung der Königshainer Feuerwehrgeschichte. „Das war eine große Herausforderung, weil es sehr schwierig ist, die altdeutschen Schriften zu lesen und zu übersetzen.“ Sein Großvater habe ihm beigebracht, diese „Hieroglyphen“ zu deuten. Seit einem dreiviertel Jahr sitzt Hartmut Trautmann an einem neuen Projekt: Handel und Gewerbe in Königshain. Und dabei hat der gelernte Schlosser Erstaunliches zu Tage gefördert. Sage und schreibe zehn „gastronomische Einrichtungen“ hat die kleine Gemeinde im Tal der Königshainer Berge gehabt, heute sind es drei. Auf schriftliche Unterlagen konnte der Hobby-Heimatforscher dabei kaum zurückgreifen. „Ich muss die Alten befragen.“ Deren Erinnerungen sind jetzt sehr wertvoll. Auf manchem Dachboden finden sich noch Fotodokumente.

Eins hat Hartmut Trautmann aber gleich herausgefunden. „Der Firstenstein war schon immer das kulturelle Zentrum von Königshain.“ Jahrzehntelang nutzten die Vereine die Gaststätte zum Singen, Theaterspielen, Sporttreiben und für Filmvorführungen. Im Objekt waren zeitweise aber auch eine Fleischerei, Molkerei, Stellmacherei, Sparkasse und ein Industriewarengeschäft zu finden. Sogar die Schule hatte hier mal ihr Domizil.

Und was kaum einer weiß – Königshain hatte eine eigene Brauerei. Jahrhundertelang wurde im Niederdorf ein wunderbarer Gerstensaft hergestellt. So kam es, dass diese „Gutsherrschaftliche Brauerei“ mit ihrem Gasthof auch im Bierkrieg zwischen Görlitz und Zittau eine Rolle gespielt hat. Gleich drei Lokalitäten waren in unmittelbarer Nähe zum Hochstein angesiedelt. Zum einen natürlich die „Hochsteinbaude“, aber auch am Aufgang das Café „Bergfrieden“ und der „Ausschank“ im Bahnhofsgebäude der Station Königshain-Hochstein. In Letzteren soll es gerade in den 20er Jahren deftig zugegangen sein. Hinter vorgehaltener Hand wurden beide Lokalitäten mit dem Görlitzer Café „Fledermaus“ (ehemals auch Café „Central“) verglichen. Und dort soll es ja mitunter sehr freizügig zugegangen sein. „Jedenfalls führte dieses Lotterleben irgendwann zur Schließung dieser beiden Objekte“, resümiert Hartmut Trautmann. Die „Hochsteinbaude“ und die damalige Gaststätte „Zum Hochstein“ hätten daran eine Aktie gehabt, um die unliebsame Konkurrenz los zu werden.

Dem Bahnverkehr auf der Strecke zwischen Königshain und Görlitz hat die Schließung der Kneipen jedenfalls gut getan. Die Steinbrucharbeiter, Bauern und Jungmägde haben das planmäßige Abfahren der Züge oft verhindert, schmunzelt Trautmann. All diese Geschichten hat der 63-jährige Rentner schon in seinem Computer verarbeitet, ehe sie wahrscheinlich zum 110-jährigen Stiftungsfest der Freiwilligen Feuerwehr Königshain im Jahr 2007 systematisch und zusammengefasst der Öffentlichkeit preisgegeben werden können. Der Heimatforscher ist jedenfalls „von einem Virus befallen, der mich nicht mehr loslässt“. Mitunter komme es vor, dass er täglich bis zu fünf Stunden in die Recherche-Arbeit vertieft ist. Aber in Königshain gibt es so tolle Geschichten zu entdecken, „dass meine Frau auch mal alleine einschlafen muss“.