Die Patientenzahlen am Dresdner Uniklinikum steigen seit Jahren. Der medizinische Vorstand Professor Michael Albrecht versucht den Spagat zwischen guter Patientenversorgung und stetem Ausbau des Geländes. Zwischenzeitlich müssen Betten jedoch auch manchmal doppelt belegt werden.
Herr Albrecht, vier Millionen Euro Verlust stehen nach Abschreibungen in Ihrer Bilanz für 2014. Müssen Sie fortan am Patienten sparen?
Nein, das müssen und das werden wir nicht. Im bundesweiten Vergleich mit anderen Universitätsklinika ist das Jahr sehr gut für uns gelaufen. Das, was wir ohne Abschreibungen erwirtschaftet haben, ist ein positives Ergebnis von rund 440 000 Euro. Das Problem ist nur, dass nun nicht mehr ausreichend Geld für notwendige Investitionen bleibt. Gerade bei Geräten können wir nicht immer sofort das neueste Modell beschaffen. Aber wir werden keine Abstriche bei der Versorgungsdichte oder der Qualität machen. Und unsere Leistungen haben wir vergangenes Jahr sogar um vier Prozent gesteigert.
Das drückt sich vor allem in den gestiegenen Patientenzahlen aus. Knapp 172000 Fälle hat das Uniklinikum allein ambulant behandelt. Stößt es langsam an seine Kapazitätsgrenzen?
Gerade bei schwierigen Fällen sind wir natürlich der erste Ansprechpartner. Etwa bei befürchteten Risikogeburten oder Krebsbehandlungen. Als nationales Krebszentrum zusammen mit dem Uniklinikum Heidelberg haben wir einen massiven Zulauf, bundesweit. Die Auslastung ist aber in jeder unserer Kliniken hoch. Es gibt nicht eine Klinik, die nicht einmal am Tag anruft und sagt, dass sie zehn weitere Betten braucht.
Wie hoch ist denn die Auslastung genau? Und müssen die Patienten nun schon auf den Fluren schlafen?
Ganz so ist es nicht. Aber in der Psychiatrie liegt die Auslastung im Schnitt bei 100 Prozent. Das heißt, es gibt Tage, an denen wir Betten doppelt belegen müssen – natürlich nacheinander. Es liegen also nicht zwei Patienten in einem Bett, sondern einer bis mittags, und sobald er weg ist, kommt der nächste. In der Neurologie liegen wir auch bei 95 bis 100 Prozent. Und bei der Viszeralklinik und der Orthopädie und Unfallchirurgie ebenfalls. Normalerweise heißt es aber, dass eine Klinik mit 85 Prozent bereits voll ausgelastet ist.
Und wie wollen Sie für Entlastung sorgen? Auf jedes Gebäude noch ein Stockwerk aufsetzen?
Das neue Haus 32, das wir gerade bauen, soll schon eine deutliche Entlastung bringen. Dort sind neben der chirurgischen Notaufnahme und dem neuen OP-Zentrum auch 90 Betten eingeplant. Dieses Gebäude haben wir tatsächlich noch kurzerhand um ein zusätzliches Stockwerk erweitert, um weitere 30 Betten zu gewinnen. Außerdem gibt es Ideen, entlang der Fiedlerstraße im Altbauriegel drei Häuser zu einem Zentrum für seelische Gesundheit umzubauen. Dort könnten alle stationären psychiatrischen Fälle untergebracht werden, während die bisherigen Häuser den ambulanten Fällen vorbehalten bleiben. Ein Ausbau ist dringend nötig, weil gerade in der Kinder- und Jugendpsychiatrie die Zahlen nach oben schnellen. Aber dieses Projekt allein kostet 70 bis 80 Millionen Euro.
Wie wird sich das Uniklinikum in den nächsten Jahren noch verändern?
Wir hoffen, dass uns der Freistaat mit dem nächsten Doppelhaushalt Mittel zur Verfügung stellt, um das lange geplante Medizinisch-Theoretische Zentrum 2 zu bauen. Das soll auf der Fläche an der Ecke Augsburger Straße/Fiedlerstraße entstehen, auf der die ehemalige Schuhfabrik abgerissen wurde. Dort sind Labors geplant, und wir wollen die Grundlagenforschung ausbauen. Das ist vor allem wichtig, um neue Forscher nach Dresden zu locken.
In den vergangenen Monaten war oft zu hören, dass Forscher Dresden wegen Pegida scheuen. Welche Erfahrungen haben Sie gemacht?
Wir fangen an, darunter zu leiden. Wenn ich im Ausland bin, wie zuletzt in Kalifornien, fragen die Leute, was denn bei uns für eine seltsame Stimmung herrscht und ob man da noch auf der Straße unterwegs sein kann. Natürlich schreckt das Forscher auch ab. Deshalb wollen wir mit unserem diesjährigen Jahresbericht auch ein positives Zeichen setzen. Darin sind Porträts von ausländischen Kollegen, die die Zusammenarbeit am Uniklinikum beschreiben. Anders als sonst wollen wir den Bericht am Flughafen, dem Bahnhof oder auch den Einwohnermeldeämtern auslegen. Damit Menschen aus aller Welt, die nach Dresden kommen, ein positiveres Bild von der Stadt erhalten.
Und was haben Sie sonst noch geplant, damit das Uniklinikum erfolgreich und konkurrenzfähig bleibt?
Wir haben eben ein Projekt auf den Weg gebracht, mit dem wir zum Beispiel die Gabe von Antibiotika deutlich reduzieren wollen. Eine eigens gegründete Kommission untersucht, welche Antibiotika in welchem Fall und wie lange gegeben wurden. Wir schreiben nun vor, welche Mittel in welchen Fällen gegeben werden und wo darauf verzichtet werden soll. Denn wenn Antibiotika unsinnig angewendet werden, selektiert man einzelne Keime, und es bilden sich bekanntermaßen Resistenzen. In Deutschland werden allgemein zu früh und zu lange Antibiotika gegeben. Indem wir das aber einschränken, kann das Uniklinikum als zusätzlichen Nebeneffekt jedes Jahr etwa eine Million Euro sparen.
Das Interview führte Juliane Richter.