Von Steffen Neumann
Nach einem Jahr Restaurierung wurde das Barockkreuz auf dem Friedhof des Grenzörtchens Petrovice (Peterswald) wurde wieder aufgestellt und durch den Generalvikar Karel Havelka aus Litomerice (Leitmeritz) eingesegnet. Das Kreuz, das im Jahr 1796 anstelle der alten Holzkirche errichtet wurde, ist ein besonderes Kreuz. Nicht nur, weil es ein Meisterwerk des Hochbarock ist. Es hat auch eine Geschichte.
Wer Geschichte erleben will, muss auf den Friedhof gehen. Nirgendwo gilt das so sehr, wie in den früher von Deutschen besiedelten Gebieten der ehemaligen Tschechoslowakei, und erst recht in Petrovice. Im Ort selbst deutet nicht mehr viel auf die früheren Bewohner hin, aber auf dem Friedhof lassen sich noch ihre Namen finden: Wolf, Fritsche, Bail, Güttler hießen sie.
Ein neuer Meilenstein
Am 31. Mai wurde auf dem Friedhof von Petrovice ein neues Kapitel der Geschichte aufgeschlagen. „Dieser Tag, der 31. Mai 2008, wird ein Meilenstein sein“, prophezeit Renate von Babka, die als Nachkomme der Familien Bail und Güttler an diesem Tag wieder nach Petrovice gekommen ist. Denn die Restaurierung des Barockkreuzes ist eine deutsch-tschechische Gemeinschaftsarbeit. Der ehemalige Peterswalder Rudolf Püschel hatte die Idee, der Bildhauer Michal Bilek mit seinem Sohn Stepan aus Petrovice führte sie aus. Ein ganzes „Barockkreuz-Komitee“ sammelte bei 25 ehemaligen Deutschen 8000 Euro Spenden ein. Der Steinmetz Lubos Mares aus Chabarovice (Karbitz) fertigte eine Gedenkplatte mit einer deutsch-tschechischen Inschrift, die mit den Worten „Verständigung, Freundschaft, Frieden“ endet. Der Chor aus Markersbach sang und Deutsche und Tschechen hielten Reden.
„Das war das erste Mal, dass Deutsche und Tschechen in Peterswald etwas gemeinsam gemacht haben“, sagt Renate von Babka. Sie sagt Peterswald, auch wenn sie nie in dem Ort, der einmal so hieß, gelebt hat. Aber für sie ist es ein lebendiger Ort, der in den Erzählungen der vertriebenen Eltern wach geblieben ist. Ihre Eltern haben sich im westlichen Teil Deutschlands niedergelassen, andere Verwandte leben indes noch ganz in der Nähe von Petrovice – in Bad Gottleuba. Irgendwann zog es sie selbst in ihr Peterswald, auf den Friedhof und zu dem Haus, in dem ihre Eltern einmal gewohnt haben. Seitdem fährt sie regelmäßig nach Petrovice, und auf einer dieser Reisen hat sie Martina Gusova und ihren Bruder Vaclav Gusa kennengelernt, junge Tschechen Ende Zwanzig, Suchende wie sie. „Vaclav hat mir erzählt, dass seine Mutter Fritsche hieß. Meine Verwandten hießen auch Fritsche. Daraufhin hat mir Vaclav Sachen vom Dachboden ihres Hauses gebracht, darunter war auch das Zeugnis meines Onkels. Das war sehr bewegend“, erzählt von Babka.
Renate von Babka ist inzwischen nicht mehr nur auf der Suche nach ihrer eigenen Geschichte, sondern engagiert sich dafür, dass das Schicksal der Deutschen aus Peterswald nicht vergessen wird. Und sie geht auf die Tschechen zu. „Für die nachfolgende Generation ist das leichter“, sagt sie. Aber auch die ältere Generation bewegt sich. „Für uns war ganz wichtig, dass der Bürgermeister Zdenek Kutina uns die Sicherheit vermittelt hat: Die Wurzeln unserer Familien in Peterswald werden geachtet“, spricht sie vor allem für die Älteren. Am Ende folgten 150 Gäste der Einladung, unter ihnen Deutsche aus Kalifornien, Kanada, Baden-Württemberg, Hessen, Hamburg und der Gegend um Bad Gottleuba.
Baldiges Wiedersehen
„Die Zusammenarbeit geht weiter“, diesen Satz sagt Walter Wolf, stellvertretender Bürgermeister in Petrovice, an diesem Tag immer wieder. Selbst deutscher Herkunft ist er sichtlich angetan von der wieder aufgelebten tschechisch-deutschen Gemeinschaft. Er plant die Einrichtung eines Erinnerungsraumes in Petrovice. Noch ist nicht klar, ob in der Schule, im Rathaus oder der Kirche. Mit der Kirche verbinden sich indes große Pläne: In ein paar Jahren soll das Dach auf der Kirche wieder aufgebaut werden. Die Gelder sind schon bei der EU beantragt, Investoren sollen gefunden werden. „Ich hoffe, dass wir uns alle wiedersehen, wenn das Dach eingeweiht wird“, sagt Wolf. Renate von Babka wird er bestimmt schon eher wiedersehen. Im Oktober plant sie eine Reise nach Petrovice und Umgebung für „Nachwuchskandidaten“. So nennt sie alle aus ihrer und der nachfolgenden Generation, die sich für die gemeinsame Geschichte der Deutschen und Tschechen interessieren. Und für die Zukunft, denn Martina Gusova und Vaclav Gusa haben schon zugesagt.