„Ein bisschen Eifersucht tut jeder Beziehung gut“

Plötzlich geht der Mann nach der Arbeit joggen und kauft sich neue Klamotten. Die sonst notorisch genervte Frau ist auf einmal gut gelaunt und lässt ihr Telefon nicht mehr offen herum liegen. Eigenartig, oder? 70 Prozent der Deutschen sind wenigstens gelegentlich eifersüchtig – vor allem Frauen zwischen 18 und 30 Jahren. Das hat das Hamburger Marktforschungsinstitut Mafo bei einer repräsentativen Befragung von 1.000 Personen herausgefunden. Paarberaterin und Eifersuchtsspezialistin Regine Wacker erklärt, woran das liegt.
Frau Wacker, waren Sie selber schon mal eifersüchtig?
Ja, als junge Frau. So sehr, dass meine Beziehung daran zerbrochen ist. Eifersucht hat mein Leben wirklich negativ geprägt.
Wie definieren Sie Eifersucht?
Das bringt ein alter Spruch auf den Punkt: „Eifersucht ist eine Leidenschaft, die mit Eifer sucht, was Leiden schafft.“ Man sucht nach Dingen, die einem wehtun, sieht Dinge, die gar nicht da sind. Das fühlt sich nicht gut an und erzeugt keine schönen Bilder im Kopf. Sinnvoll ist es auch nicht. Eifersucht zerstört das Vertrauen. Im schlimmsten Fall macht sie alles kaputt.
Wie äußert sie sich?
Das fängt bei Kontrollen an: Früher hat man eher Taschen durchsucht, heute wird das Handy kontrolliert, Facebook und WhatsApp durchschnüffelt. Mit wem ist sie befreundet? Wann hat er mit ihr gechattet? Was hat er kommentiert? Die sozialen Medien sind echte Beziehungskiller.
Warum macht man das denn?
Das ist ganz individuell, je nachdem, was einen geprägt hat. Vielleicht war ein früherer Partner untreu. Dann hat man Angst davor, dass es wieder passieren kann. Das kann aber auch Angst davor sein, in einem Vergleich mit einer anderen Person nicht bestehen zu können – das es immer jemanden gibt, der besser ist als ich. Dass mir etwas weggenommen werden könnte, von dem ich glaube, dass ich es besitze. Oftmals steht ein Mangel an Selbstwertgefühl dahinter. Man empfindet sich als nicht liebenswert genug. Aber das möchten sich nur die Wenigsten eingestehen. Die Erkenntnis ist bitter und tut weh, auch wenn sie der Anfang der Hilfe ist. Es ist immer leichter, wenn der andere schuld ist.
Wie viele ihrer Klienten vermuten, dass ihr Partner fremd geht?
Viele. Manche kommen auch, wenn die Beziehung bereits an ihrer eignen permanenten Eifersucht zerbrochen ist. Der Schock darüber sitzt dann so tief, dass sie wissen wollen, was sie ändern können.
Wenn sich der Partner tatsächlich auf Abwegen befindet, gibt es doch bestimmt Anzeichen. Welche sind das?
Das ist das Dilemma: Wer auf Warnsignale achtet, gerät in den Strudel hinein und fängt an, zu suchen. Das sollte man lassen.
Aber es ist doch komisch, wenn der Partner plötzlich Wert auf sein Äußeres legt – und ihm das vorher egal war.
Das wäre ein typisches Anzeichen dafür, dass man einen Flirt oder ein Fremdgehen vermuten könnte. Aber er kann auch genauso gut Sport treiben, weil er etwas für sich tun will, ohne einer dritten Person gefallen zu wollen. Oder die Partnerin nimmt das Telefon mit, weil sie einen dringenden Anruf erwartet, der für die Beziehung vollkommen unverfänglich ist. Idealerweise spricht das Paar darüber.

Was macht das Paar, wenn der Partner tatsächlich fremd gegangen ist?
Miteinander reden, den Partner fragen, wie es dazu kommen konnte, was ihm oder ihr in der Beziehung fehlt. Allerdings drehen sich viele dann im Kreis: Der eine wirft vor, der andere verteidigt sich. Das ist schwer, viele brauchen dafür Hilfe von außen. Aber offensichtlich ist das Beziehungsgefüge kaputt. Wer glücklich ist, geht ja nicht fremd.
Hat die Beziehung noch eine Chance?
Wenn der Betrug aufgearbeitet wird, hat sie das. Wichtig ist, dass die Situation danach kein Thema mehr sein darf und der Betrogene nicht irgendwann den alten Schmerz, die schlechten Emotionen wieder aufrollt. Das bringt keinem etwas.
Das stelle ich mir sehr schwer vor.
Das ist auch schwer, aber es kann funktionieren. Es gibt verschiedene Rituale, die dabei helfen. Ich arbeite zum Beispiel mit der „Müllbox“: Beide Partner schreiben ihre negativen Emotionen auf kleine Zettel und legen sie hinein. Die ganzen alten Verletzungen bleiben imaginär darin oder werden verbrannt. Wichtig ist, mit dem Ritual einen Schlusspunkt zu setzen, zu sagen: Ab hier schauen wir, wie wir es besser machen können. Jetzt blicken wir nach vorn.
Das funktioniert?
Ja, aber es braucht Zeit und viel guten Willen, bis der Schmerz kleiner wird.
Wie viele wollen die Beziehung retten? Und wie sind die Erfolgsaussichten?
90 Prozent. Zehn Prozent wollen sich trennen und suchen dafür Hilfe. Nach dem Feedback, das ich bekomme, liegen die Erfolgsaussichten etwa bei 80 Prozent, zumindest kurzfristig. Wie es den Paaren später geht, erfahre ich leider nur selten.
Fallen viele nicht schnell wieder in die alten Verhaltensmuster zurück?
Nein, weil wir grundlegende Kommunikationstechniken trainieren, die das gegenseitige Verständnis fördern, Ich-Botschaften etwa. Solche Gefühle auszudrücken, fällt vor allem Männern schwer. Paare sollen lernen, warum mein Partner so handelt – und warum ich darauf so reagiere. Wir kommunizieren auf der Sachebene und auf der Beziehungsebene. Wenn sich die beiden kreuzen, wird es kompliziert. Deshalb muss ich oft dolmetschen.
Können Sie das bitte am Beispielsatz „Das Essen ist kalt“ erklären?
Geäußert auf der Sachebene umschreibt er den Fakt: Das Essen ist nicht mehr warm. Punkt. Empfängt ihn meine Partnerin aber auf der Beziehungsebene, versteht sie möglicherweise die Botschaft: „Na toll, ich habe es zu zeitig aufgetan. Du denkst, ich bin unfähig, das Essen heiß zu servieren. Ich tauge nichts. Koch’ dir dein Essen doch selber.“ Das kann schnell hochbrodeln. Wenn ich den Satz auf der Beziehungsebene kommuniziere, meine ich: „Schade, dass du es mir nicht warm gehalten hast. Du hast dir so eine Mühe gegeben.“ Wenn das die Partnerin dann aber auf der Sachebene versteht, sagt sie: „Pech gehabt, wärme es dir halt auf.“ Ideal wäre es, wenn beide auf der Beziehungsebene miteinander reden würden: Er ist traurig, dass das Essen kalt ist, sie schlägt vor, es gemeinsam aufzuwärmen.
Gibt es solche Missverständnisse oft?
Ja. Ich behaupte, dass 100 Prozent der Partner aneinander vorbeireden, zumindest manchmal. Obwohl sie nicht viel Zeit haben: Statistisch gesehen, sprechen sie maximal fünf Minuten pro Tag miteinander.
Was empfehlen Sie dann?
Sofort nachfragen, wenn man merkt, dass der andere gerade komisch reagiert, ganz ohne Vorwurf, ohne die Antwort vorzugeben. Man fragt am besten: „Was hast du denn verstanden?“ Aber bitte freundlich!
Was sagt es über die Beziehung aus, wenn keiner eifersüchtig ist?
Eine kleine gesunde Eifersucht sollte in jeder Beziehung stattfinden. Sie zeigt, dass es mir nicht egal ist, was der andere tut, dass ich teilnehme an seinem Leben. Läuft die Beziehung gut, ist man eine gestärkte Person und vertraut seinem Partner, ist es kein Problem, wenn der andere mal interessiert mit einer fremden Person spricht. Bei den Mega-Eifersüchtigen geht das gar nicht.
Und wenn sich einer wünscht, dass der andere eifersüchtig wäre?
Wahrscheinlich sagt das aus, dass der Partner mich nicht ausreichend wahrnimmt.
Das Gespräch führte Susanne Plecher.