Von Reinhard Kärbsch
Der historischen Literatur über Kamenz wurde ein weiteres Buch hinzugefügt, ein Fotoband: „Kamenz – Bilder aus der DDR“. Dr. Matthias Herrmann, Stadtarchivar der Lessingstadt und Leiter des Lessing-Museums hat die Fotos aus dem städtischen Fundus ausgewählt. Der ist noch unvollkommen. Er sagt das selbst in der Einleitung zum Buch. Umso erstaunlicher ist es, was Herrmann an sachlichen und informativen Bildtexten anbietet – vom ersten bis zum letzten Foto. Nur wenige Male muss er mit genauen Angaben passen und bittet um Ergänzung.
Noch ältere Fotos ausgraben
Mit diesem Bildband könnte Herrmann vor allem eine Geschichte anschieben, die diese beklagte Situation verbessern könnte. Erstmals werden hunderte Fotos einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht – sofern diese natürlich das Buch auch massenhaft kaufen. Die Kamenzer erkennen sich und ihre Bekannten oder Kollegen. Sie entdecken sofort die weißen Flecken und melden sich beim Autor! Und sie werden in alten Kisten nach noch älteren Fotos graben – und der Stadt übereignen, mit exakten Daten. Und kostenlos, versteht sich. Wie es der Fotograf Walter Steinborn, sozusagen der Haus- und Hoffotograf der Lessingstadt der vergangenen 50, 60 Jahre, getan hat. Vielleicht gelingt es dabei, die jetzt zum Teil „offiziellen“ Fotos mit denen aus dem privaten Alltagsleben noch mehr zu bereichern. Und es gibt ganz sicher Kamenzer Fotografen, Profis wie Amateure, die noch über wahre historische Bildschätze verfügen. Sie sollten Herrmanns Mitarbeiter zugänglich gemacht werden. Nur so kann eine möglichst umfassende, systematische Bilddokumentation von Kamenz entstehen, die der Stadtarchivar anmahnt. Das hat aber auch zur Konsequenz, dass ab sofort die Stadt das Sammeln von Bildmaterial nicht mehr dem Zufall überlässt. Und ganz kostenlos ist das nicht zu bewerkstelligen.
Jetzt sind aber erst einmal 242 fotografische Dokumente ans Licht gelangt. Drei davon sind schmückendes Umfeld, die anderen sind sechs Themenkreisen zugeordnet: 1. Gesellschaftliches Leben und politischer Wandel (45 Fotos); 2. Abriss, Neu- und Wiederaufbau – Fortbestand und Wandel (39); 3. Leben und Arbeiten in der Stadt (38); 4. Kindheit und Jugend im städtischen Leben (63); 5. Bewahrung der Tradition – das Kamenzer Forstfest (16); 6. Kultur in ihrer Vielfalt (38).
Von Tradition und Wandel
Über diese zum Teil gestelzten Formulierungen lässt sich sicher trefflich streiten, zumal der politische Wandel am Ende der DDR durch Fotos nicht belegt ist. Matthias Herrmann beklagt zwar die dürre Bildmenge dazu. Aber dann hätte er auf einmal „Wandel“ verzichten können. Und dort, wo Wandel und Veränderung mit Traditionellem sich jahrelang einen sichtbaren Kampf lieferte, nämlich bei der Forstfestkleidung, wird von Bewahrung der Tradition gesprochen. Die 16 Fotos dazu korrigieren das. Das aber nur nebenbei.
Der Gewinn des Bildbandes besteht im folgenden: Die Jahre nach dem Kriegsende bis zur DDR-Gründung 1949 sind einbezogen. Wo sich mit den Bildern eine Entwicklung nachzeichnen lässt, wurde das konsequent genutzt – beispielsweise beim Baugeschehen sowie im Kinder- und Schulbereich. Erstmals werden eine Vielzahl von Fotos veröffentlicht, so dass bisher weitgehend Unbekanntes erfassbar wird: Kamenzer Wochenmärkte der 50-er Jahre etwa. Und schließlich wird auch gebührend der Garnisonsstadt Rechnung getragen und die Verbindungen zwischen NVA und Stadt dokumentiert.
Matthias Herrman, Kamenz-Bilder aus der DDR, Sutton Verlag GmbH, 2006, 17,90 Euro, erhältlich in den Buchverkaufsstellen in Kamenz, darunter auch im SZ-Treffpunkt an der Klosterstraße.