Von Peter Chemnitz
Heiko Menzel ist zufrieden. Der Mann, für den er soeben den Platz in der Baggerkabine geräumt hat, stellt sich gar nicht schlecht an. Dabei ist Georg Milbradt alles andere als gelernter Maschinist. Offenbar hat der sächsische Ministerpräsident aber ein Talent für das Drücken von Knöpfchen. Tadellos rammt die Maschine unter seiner Führung die erste Spundwanddiele in das Neißeufer: Der symbolische erste Rammstoß für den Bau der 82 Meter langen und zehn Meter breiten neuen Altstadtbrücke.
Für diese Realisierung dieses Projektes haben deutsche und polnische Politiker und Bürger lange Jahre eine zähe Überzeugungsarbeit geleistet. „Finanzminister finden eigentlich immer Gründe, das Geld nicht ausgeben zu müssen“, erinnert Milbradt. Heute sei er froh, dass erstmals Geld für dieses Projekt abfließen kann. Die Stadt Görlitz muss lediglich zehn Prozent der Kosten für das insgesamt rund 3,1 Millionen Euro teure Bauwerk aufbringen. Angespart wird bereits seit Jahren.
Brücken zwischen Sachsen und Niederschlesien seien wichtig, sagt Milbradt. Nicht nur die großen Auto- und Eisenbahnbrücken, sondern auch die vielen kleinen regionalen, die Nachbarn einander näher bringen. Deswegen habe er sich von Anfang an für dieses Brückenprojekt stark gemacht: „Das Geld für diese Brücke ist gut angelegt, es wird Zinsen bringen, nicht materiell, aber im Zusammenwachsen der beiden Hälften, von Deutschland und Polen.“
Erstmals sei an dieser Stelle 1367 eine Brücke urkundlich erwähnt worden, sagt der Görlitzer Oberbürgermeister Rolf Karbaum (parteilos). Über diese habe im Mittelalter die europäische Handelsstraße via Regia von Santiago de Compostela bis nach Kiew geführt. Karbaum erinnert auch an die Sprengung der alten Brücke am 7. Mai 1945. Ein symbolträchtiges Datum ist der Tag des Baubeginns aber auch, weil er fast genau ein Jahr vor dem Beitritt des Nachbarn zur Europäischen Union liegt: Im Herbst 2004 wird die alte europäische Verbindung wieder hergestellt sein.
Während Peter Schowtka, CDU-Abgeordneter des Niederschlesischen Oberlausitzkreises, sich vor allem darüber freut, dass der Stahlbauauftrag an ein Nieskyer Traditionsunternehmen gegangen ist, freut sich sein Parteifreund Volker Bandmann sichtlich über die große Anteilnahme der Görlitzer an diesem historischen Akt: „Die Zahl der Brückenbefürworter ist gewachsen.“ Für den Christdemokraten ist die Brücke ein Steg, der die Menschen zu einander führt: „Sie müssen diesen Steg nur betreten.“
Tiefes Aufatmen dagegen beim Zgorzelecer Bürgermeister Mieroslaw Fiedorowicz. Formelle und schwierige Probleme seien jetzt gelöst: „Wir konnten unsere Idee verwirklichen.“ Er habe nächtelang davon geträumt.. Auch Sachsen-Premier Milbradt ist sich sicher, dass sich „in Zukunft solche Brückenbauten schneller vollziehen“.
Währenddessen erklingt Musik. Das Blechbläserensembles der Neuen Lausitzer Philharmonie spielt auf der polnischen Seite, bläst Töne über den Fluss. Dann lädt erst der Wirt der Vierradenmühle zum Umtrunk ein, später die Wirtin der Dreiradenmühle im Nachbarland. Ein Bus bringt die Gäste zur Grenze. In Zgorzelec wartet ein anderer Bus. „Gebe es doch die Altstadtbrücke schon“, träumt der Breslauer Woiwode Stanislaw Lopatowski beim Bier und stößt mit Kulturbürgermeister Ulf Großmann (CDU) an. Auf der Görlitzer Seite diskutieren derweil die Bauarbeiter noch immer über Milbradt. „Der hat das nicht zum ersten Mal gemacht“, ist sich der Maschinist sicher. Vielleicht schiebe der Dresdner Kollege ja mal eine Sonderschicht beim Löbauer Bauunternehmen. Spannend wäre es.