Von Katja Schlenker
Moment mal! Der Couchtisch kommt mir aber bekannt vor. Diesen Gedanken hat Annerose Hänel, als sie vor wenigen Wochen einen Artikel über das erste Jahr mit Asylbewerbern in Rothenburg in der Sächsischen Zeitung liest. Auf dem Bild dazu sind viele Menschen zu sehen, Erwachsene und Kinder. Marika Vetter ist dabei, die sich um die Asylbewerber in Rothenburg kümmert, und Najwa Alossta, die gemeinsam mit ihrem Mann und ihren Kindern aus Libyen geflohen ist. Und eben der Couchtisch.

Annerose Hänel hat ihn den Asylbewerbern überlassen. Ursprünglich sollte der Tisch in den Sperrmüll, stand schon auf der Straße bereit. Doch dann kommen die Kinder der Asylbewerber klingeln und nehmen den Tisch mit. Und so reift der Gedanke, warum auch nicht? „Als ich jung war, musste ich mich auch mit allem alleine durchkämpfen“, sagt Annerose Hänel. „Ich weiß wie das ist.“ Insofern ist für die Rothenburgerin, die bis voriges Jahr in der Schweiz gelebt hat, klar zu helfen. Und sie gibt lieber praktische Dinge an die Menschen, als auf irgendein Konto Geld zu spenden, wo keiner weiß, was daraus wird.
Der Landkreis Görlitz als zuständige Behörde sieht die Spenden von Familie Hänel mit gemischten Gefühlen. „An sich sind Stellen organisiert, an denen Bürger ihre Spenden abgeben können“, sagt Dezernent Werner Genau. „Wenn aber jemand seine Sachen direkt abgibt, ist das auch ok.“ So entsteht auch ein Kontakt zwischen den Menschen, das ist ebenso wichtig. Denn wer seine Spenden bei den Sammelstellen abgibt, tut dies eher anonym. Was daraus wird, ist da noch nicht klar. Ähnlich, als wenn jemand Geld auf ein Konto überweist und so spendet.
„Allerdings ist es der Sache auch nicht dienlich, wenn jeder seine Spenden direkt hinbringt“, erklärt Werner Genau. „Dass die Spenden gesammelt werden, hat auch etwas damit zu tun, dass sie gerecht verteilt werden.“ Denn was nutzt es, wenn die Möbel in Rothenburg vorm Haus stehen müssen, weil es zu viele sind, und anderswo werden die Sachen gebraucht. Momentan sind Kinderwagen und Fahrräder gefragt. Auch, weil den Asylbewerbern Arbeitsgelegenheiten angeboten werden sollen. Und dafür müssen sie mobil sein.
Helfen schafft aber auch einen Mehrwert. „Freunde“ nennt Annerose Hänel die Asylbewerber, welche in einem Haus an der Friedensstraße leben. Und meint das durchaus ernst. Denn mittlerweile kennen sie sich. Wenn sie wieder etwas hat, ruft sie ihre Freunde herbei, wenn sie auf der Straße vorm Haus unterwegs sind. Und wenn man sich in der Stadt trifft, wird kurz „Hallo, wie geht’s?“ gesagt. „Wir können nur Gutes über die Asylbewerber sagen“, erklärt Annerose Hänel. Sympathisch sind die Flüchtlinge, die abends oft mit dem Fahrrad vorbeifahren, pflichtet Sohn René bei. Das ist nicht selbstverständlich – auch bei deutschen Mitbürgern.
Angefangen hat mit den Spenden alles, weil die Familie einen Teil des Hauses komplett renoviert hat – samt neuer Möbel. Der Transport ist bereits bestellt. Doch als der Sperrmüll abgeholt werden soll, ist kaum noch etwas da, erzählt Annerose Hänel lachend. Denn unterdessen hat die Freundschaft mit den Flüchtlingen begonnen.
Manch kuriose Episode erlebt Familie Hänel mit den Asylbewerbern. Einmal, als einige Möbel vorm Haus stehen, kommen die Asylbewerber wie mittlerweile üblich vorbei und fragen, ob sie diese mitnehmen können. Allerdings wollen sie vorher noch rasch ins Stadtzentrum zum Einkaufen. In der Zwischenzeit kommt jedoch ein polnischer Trödelhändler mit seinem Auto vorgefahren und beginnt, den Sperrmüll in seinen Transporter einzuladen. Das hat Trubel gegeben, als die Asylbewerber vom Einkauf zurückkehren.
Wer jetzt an Schlägerei oder so denkt, liegt allerdings falsch. Die ganze Sache wird ausdiskutiert. „Wir haben zu dem Polen gesagt, die Möbel kann er nicht mitnehmen“, erzählt Annerose Hänel. Immerhin sind diese bereits versprochen. Das sieht der Pole dann auch ein, sodass die Asylbewerber die gewünschten Möbel wieder aus dem Auto holen können. Und das alles ohne Zank und Streit.