Von Christoph Scharf
Das einzige, was momentan zu hören ist, sind die laut tschilpenden Spatzen. Sie sitzen in den langsam gelb werdenden Wipfeln der mächtigen Buchen und Linden, die im Park des Ritterguts stehen. „Autos kommen erst wieder nachmittags vorbei“, sagt Helene Opitz, die gleich gegenüber wohnt. In ihrem Vorgarten ist noch Sommer: In allen Farben blühen die Blumen. Die 84-Jährige wurde hier im Dorf geboren, gleich im Nachbarhaus. „Von den 36 Einwohnern gibt es nur noch vier, die aus Döberkitz stammen“, sagt Helene Opitz. Auch Elfriede Dobers zählt dazu. Sie wohnt am anderen Ende des Dorfes – wenn man das bei 13 Häusern so sagen kann.
Die 78-Jährige hat noch im Schloss bei den Grafen gearbeitet, ihr Vater war Kutscher. „Wir konnten nie über unsere Grafen meckern.“ Helene Opitz kramt alte Fotos hervor. In Schwarz-Weiß lächelt eine adrette Dame mit Perlenkette und einem Neugeborenem im Arm. Das vergilbte Foto mit gezacktem Rand wurde als Neujahrsgruß an die Familien des Ortes geschickt. „Das war Ende der Dreißiger.“ Der Bub auf dem Foto lebt heute in Holland: Sein Vater, der alte Graf, war Holländer und kehrte 1939 mit Kriegsausbruch dem Deutschen Reich den Rücken. „Die fuhren zum Geburtstag von Verwandten in die Niederlande und blieben gleich dort.“ Aber der Kontakt blieb erhalten: Eine Tochter kehrte nach 1989 nochmal in das Dorf ihrer Ahnen zurück – da war das Schloss schon viele Jahre Behinderten-Wohnheim. „Sie fand es nicht schlecht, dass es der Allgemeinheit dient.“
Im Schloss hat auch Helene Opitz viel Zeit verbracht. „Wir Kinder wurden Weihnachten immer von den Herrschaften eingeladen.“ Als Geschenk gab es von der Gräfin gestrickte Schals und Mützen. Später zogen vertriebene Schlesier und ein Kindergarten rein. 18 Jahre lang hat Helene Opitz dort als „Mädchen für alles“ gearbeitet.
Filmvorführungen im Schloss
In den Fünfzigern und Sechzigern war sowieso mehr Leben im Dorf als heute. Das Schloss bot Platz genug für Filmvorführungen im Landkino, Feuerwehrfeste, Fasching und Rentnerfeiern. Geblieben ist das Hexenbrennen auf der „LPG-Wiese“. Zwei Ehepaare organisieren es, letztes Mal waren an die 100 Leute da. Außerdem gibt es das jährliche Sommerfest des Wohnheims, wo auch die Nachbarn eingeladen sind. Wenn die Behinderten nicht täglich zur Arbeit nach Bautzen fahren würden, würde nur noch ein einzelnes Schulkind den Bus nutzen. „Der Bus ist der einzige Vorteil, den uns die Eingemeindung nach Bautzen gebracht hat“, sagt Helene Opitz. Eigentlich wollten die Einwohner nach Göda – dort ist das nächste Amt, Ärzte und Geschäfte. Mit dem Rad ist es über den Hügel ein Katzensprung.
Nach 60 Jahren wieder zu Gast
Obwohl der Ort so klein ist: Döberkitz bleibt in Erinnerung. Neulich waren zwei Polinnen da, die hier im Krieg als Landwirtschaftshelfer eingesetzt waren. „Wir haben alte Fotos angeschaut – nur die Verständigung war etwas schwierig.“