Von Christoph Scharf
Wer aus Richtung B96 die Großwelkaer Straße in das gleichnamige Dorf emporkommt, kann es auf der rechten Seite liegen sehen: Das alte Rittergut steht trotzig auf einer Anhöhe – auch wenn es als solches heute nicht mehr sofort zu erkennen ist. „Das sah den neuen Herren nach 1945 wohl zu herrschaftlich aus, deshalb hat man die oberste Etage abgetragen“, sagt Manfred Petrick.
Der 78-Jährige ist der älteste Mann unter den alteingesessenen Großwelkaern. „Ich bin hier geboren, als Kind mit der Trommel um den Christbaum gerannt – und hier bleibe ich auch“, sagt der Rentner mit einem Lächeln.
Die alten Schlossherren, die Familie von Boxberg, ist nach dem Krieg dagegen in den Westen gegangen. Der Sohn kommt allerdings noch ab und an schauen, wie es der alten Heimat geht. „Dann guckt er auch bei mir vorbei“, sagt Manfred Petrick. „Schließlich haben wir als Kinder zusammen im Schloss Verstecken gespielt.“
Gleich gegenüber des Schlosses steht die traditionsreiche Schule von Großwelka. Generationen von Dorfbewohnern haben hier die Schulbank gedrückt, nicht nur aus Groß- und Kleinwelka, auch aus Milkwitz, Brösern, Cölln oder Lubachau. Und während zum Beispiel die Kinder aus Temritz im Winter schon durchgefroren in der Schule ankamen, konnte Manfred Petrick morgens fast die Hausschuhe anlassen: „Wir wohnten bis 1938 im Obergeschoss des Hauses, wo auch der Schulleiter seine Wohnung hatte.“ Da reichte ein Blick auf den Hof, ob der Appell schon vorbei war, und ein kurzer Spurt durchs Treppenhaus, um pünktlich zu sein. – Noch immer hängt ein Schild „Grundschule Kleinwelka“ über dem Gebäude, seit fünf Jahren gehen die Kinder allerdings in Bautzen oder Radibor zur Schule.
Aussterben wird Großwelka dennoch nicht: In der Senke Richtung Kleinwelka sind seit der Wende etliche neue Häuser entstanden, auch am Anger leuchtet die eine oder andere frische Fassade. „Bei uns lässt es sich richtig gut leben“, sagt Manfred Petrick. Zum Einkaufen nach Kleinwelka ist es ein Katzensprung, und hier am Schmiedeteich ist man auch gleich mitten im Grünen. Eben springen fünf Rehe über den Acker, um im nahen Waldrand zu verschwinden. „Der Berg dort oben ist die Wiwalze“, sagt der 78-Jährige. „Bis in die Fünfziger stand dort sogar ein stählerner Aussichtsturm.“ Von der Anhöhe, die zwischen Großwelka und der Straße Temritz-Schmochtitz liegt, hat man auch ohne Turm einen schönen Blick auf das Dorf. Vor allem jetzt im Herbst, wo die Bäume rot und gelb leuchten – auch die großen Eichen am Schmiedeteich, der an das Petrick’sche Grundstück angrenzt. „An den Mief vom Teich haben wir uns längst gewöhnt“, sagt der gelernte Landwirt, der Jahrzehnte im Senf und Essig-Werk arbeitete. Aber vielleicht wird es ja nächstes Jahr besser: Die Stadt will den Teich zumindest teilweise sanieren lassen. Schmiedeteich heißt das Gewässer deshalb, weil früher nebenan die Schmiede des Ritterguts stand.
Auch eine Windmühle Richtung Schmochtitz gab es einst in Großwelka. „Aber die ist etwa 1900 abgebrannt.“ Übrig blieb ein Gehöft etwas abseits vom Dorf , dessen spätere Bewohner noch nach der Wende ohne Strom auskamen – und sich die Stube stattdessen mit Petroleum-Lampen erleuchteten.