Ein Dorf voller Maibäume

Von Silke Richter
Dörgenhausen. Eines muss man den Menschen in Corona-Zeiten lassen: Die Kreativität wächst und damit auch die Öffnung von Spielräumen, sofern man sie nutzt. Das lässt sich momentan sehr gut in Dörgenhausen beobachten. In dem Hoyerswerdaer Ortsteil ist in diesem Jahr, wie woanders auch, das traditionelle Maibaumstellen in Form des geselligen Miteinanders mit mehreren Menschengruppen verboten worden. Traditionell ist es in der Region sonst üblich, am Vorabend des 1. Mai eine geschmückte Birke oder einen gern aus mehreren Kiefernstämmen zusammengesetzten Baum mit Birkenkrone auf einem zentralen Platz aufzustellen und damit symbolisch das Leben und Wachstum gemeinsam zu feiern. Die Jugendvereine zelebrieren diese Tradition sehr gern und bewachen ihren Maibaum als Glücksbringer, damit er von der Jugend aus dem Nachbardorf nicht heimlich zu Fall gebracht werden kann. Sonst droht nämlich für längere Zeit das Verbot des Maibaumstellens und auch die damit verbundene Kürung des Maibaumkönigs.
Und weil dieses Jahr nun mal vieles anders ist, hatte der Jugendclub Dörgenhausen unter Leitung von Dennis Bilik in Zusammenarbeit mit anderen Einwohnern die Idee, dass jede Familie aus dem Dorf doch ihren eigenen Maibaum zu Hause aufstellen könne. „Wir wollten diese schöne Tradition nicht ausfallen lassen und haben nach einer Alternative gesucht“, erklärt Vorstandsmitglied Paul Graf. Die Idee kam sehr gut an und sprach sich in Dörgenhausen schnell herum. Es wurde auf den Höfen fleißig nach Ideen gesucht, gebunden, gebastelt, geschnitten, geschält, geknüpft und gemalt. In der Nacht vom 30. April auf den 1. Mai wurden auf einen Schlag 23 Bäume auf Privatgrundstücken aufgestellt. Ein Baum steht (nahezu wie die Welt momentan) sogar auf dem Kopf und ähnelt einem Pendel, das zwischen den aufregenden Zeiten hin und her schwingt. Ein anderes Gewächs ist mit hübschen Herzen und Schleifen geschmückt. Die Dörgenhausener ließen ihrer Kreativität freien Lauf und haben die Aktion damit zu etwas ganz Besonderem gemacht, berichtet Susann Kummer begeistert mit Blick in die Nachbarschaft. Die Aktion lade auch dazu ein, bewusst durch das Dorf zu spazieren, über den Gartenzaun miteinander ins Gespräch zu kommen und somit, trotz schwieriger Zeiten, mit Abstand das Miteinander auszuleben, erklärt Daniel Kummer, in dessen Vorgarten auch ein Maibaum steht. Aber das ist nicht erst seit diesem Jahr so. „Wir haben schon seit vier Jahren einen Maibaum als Ersatz im Hof stehen, falls der Maibaum auf dem Dorfplatz zu Fall gebracht wird“, berichtet Susann Kummer. Der Traditionsbaum der Familie ist in diesem Jahr etwa zehn Meter hoch, mit einer dreizehn Meter langen selbst gebundenen grünen Ranke, bunten Schmuckbändern und einer Fahne geschmückt. Die dafür verwendete Fichte stammt aus dem eigenen Waldgrundstück. Alle aufgestellten Maibäume, so die Idee, sollen in den nächsten Tagen fotografiert und in der Dorfchronik verewigt werden. Damit werde nicht nur die Corona-Krise in die Geschichte eingehen, meint Paul Graf, der stellvertretend für den Jugendclub innerhalb dieser Aktion zu einem Wettbewerb aufgerufen hat. So bekommt jede Familie einen Stimmzettel, auf dem abgestimmt werden kann, welcher Maibaum in diesem Jahr der schönste ist. Teilnahmeschluss ist der 22. Mai, dann erfolgt die Prämierung. „Dabei geht es um die Aktion an sich. Es wird in dem Sinne keinen großen Preis geben. Das Miteinander ist viel wichtiger“, erklärt Paul Graf. (SiRi)