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Ein einmaliger Vorgang

Nach den gescheiterten Tarifverhandlungen zur Einführung der 35-Stunden-Woche in der ostdeutschen Metallindustrie bereitet die IG Metall Verhandlungen um Haustarifverträge vor. Heute sollen zunächst die...

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Nach den gescheiterten Tarifverhandlungen zur Einführung der 35-Stunden-Woche in der ostdeutschen Metallindustrie bereitet die IG Metall Verhandlungen um Haustarifverträge vor. Heute sollen zunächst die Belegschaften über den Streikabbruch und die angestrebten neuen Gespräche informiert werden, sagte der 1. Bevollmächtigte der IG Metall in Zwickau, Stefan Kademann.

Laut Kademann werden bis dahin noch die Nachtschicht im VW Motorenwerk in Chemnitz und die SAS Cockpitfertigung Crossen bestreikt. Zunächst soll ein Haustarifvertrag mit Volkswagen ausgehandelt werden. VW beschäftigt in Zwickau und Chemnitz rund 7 000 Menschen. „Wir werden uns die Unternehmen Stück für Stück vorknöpfen“, blickte Kademann auf die Verhandlungen um Haustarifverträge voraus.

Erstmals seit 1954 hatte die IG Metall am Sonnabend eine Niederlage in einem Arbeitskampf eingeräumt. IG-Metall-Chef Klaus Zwickel und Verhandlungsführer Hasso Düvel kündigten in Berlin an, die seit vier Wochen andauernden Streiks beenden zu wollen.

Der Chef des Verbandes der sächsischen Metall- und Elektroindustrie, Andreas Winkler, begrüßte das Ende der Streiks. Als Sieger wollte er die Arbeitgeber aber nicht sehen. Winkler bedauerte, dass es keinen Tarifabschluss gegeben habe. Er warf Teilen der IG Metall vor, dies verhindert zu haben.

Personalentscheidungen bislang nicht revidiert

Düvel übte gestern scharfe Kritik an Betriebsräten von Opel und Daimler-Chrysler. Es sei „ein einmaliger Vorgang“ und ein „furchtbarer Umstand“, dass die Vorsitzenden der Gesamtbetriebsräte eine öffentliche Debatte über den Sinn der Streiks losgetreten hätten. Die Gewerkschaftsbasis in Berlin, Brandenburg und Sachsen stand laut Düvel hinter der Streikstrategie.

„Das sinnvolle Projekt der Arbeitszeitverkürzung und damit einer besseren Arbeitsumverteilung ist gescheitert“, erklärte gestern Sachsens DGB-Vorsitzender Hanjo Lucassen. „Der Osten bleibt zweite Klasse in Deutschland.“

Nach Angaben der IG Metall wurde gestern teilweise noch gestreikt. Eine zweite Urabstimmung über das Streikende sei nicht erforderlich, hieß es. Auf Grund des Scheiterns gebe es kein Ergebnis über das in einer zweiten Urabstimmung abgestimmt werden müsse.

Mehrere Gewerkschafter haben personelle Konsequenzen verlangt. In der Kritik stehen vor allem der designierte IG-Metall-Vorsitzende Jürgen Peters und Düvel, die den Streik organisiert hatten. Nach Ansicht des Vorsitzenden der bayerischen IG Metall, Werner Neugebauer, muss die Spitze der Organisation über personelle Konsequenzen nachdenken.

Auch der Chef des IG-Metall-Bezirks Küste, Frank Teichmüller, forderte einen Neubeginn: „Die Mitglieder erwarten nun, dass es Veränderungen gibt.“ Er rechne mit personellen Konsequenzen bis zum Gewerkschaftstag im Oktober. Bisher wurden getroffene Personalentscheidungen nicht revidiert.

Düvel, der die Hauptverantwortung für das Fiasko übernommen hatte, wollte sich zu einem Rücktritt nicht äußern. Der Konflikt werde intern aufgearbeitet. Er räumte ein, dass die Gewerkschaft „nicht unbedingt gestärkt“ in die Verhandlungen für Haustarifverträge gehe. Zugleich sei die Gewerkschaft bereit, mit den Arbeitgebern wieder in Verhandlungen über Manteltarife einzusteigen.

Gesamtmetall-Präsident Martin Kannegiesser setzt dagegen weiter auf einen Flächentarif. Die IG Metall werde ihre Strategie der Haustarife „schon sehr bald überdenken müssen“, sagte er.

Die Arbeitgeber hatten laut ihrem Verhandlungsführer Roland Fischer zuletzt einer Verkürzung der Wochenarbeitszeit von 38 auf 37 Stunden zugestimmt. Sie sollte am 1. April 2005 in Kraft treten. Die Forderung der IG Metall nach der 35-Stunden-Woche bis 2009 oder 2011 bei unterschiedlichen Anpassungsschritten je nach Betriebslage lehnten sie aber weiter strikt ab.

Die IG Metall war nach eigenen Angaben bereit, sich im Osten auf einen Zeitkorridor zwischen 35 und 40 Stunden einzulassen. Es sollte eine Regelarbeitszeit geben, bei der für einzelne Betriebe Abweichungen nach oben und unten drin gewesen wären. (dpa/ddp/SZ)