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Ein Einzelfall, dieses Bildungssystem

Mal wieder stillstehende Züge, einmaliger Stundenausfall und ein Markt mit drei Namen. Wird auch unser Rückblick ein wahres Abenteuer?

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Von Kevin Schwarzbach

Wir wollen, dass sie erholt ankommen“, lautete der Slogan der Deutschen Bahn im Jahre 1974. Die DB hatte schon damals große Visionen. Und sie hat in den letzten 40 Jahren auch viele davon umgesetzt: Fast in jede Ecke Deutschlands fahren heutzutage Züge. Doch sie hat auch einiges (bis jetzt) nicht geschafft, und dazu gehören vor allem Pünktlichkeit und Verlässlichkeit. Seit letzter Woche ärgern sich die Riesaer wieder schwarz, wenn sie eine Reise antreten wollen und diese nach oder über Dresden oder Leipzig führt. Die Züge kommen derzeit nur ganz selten – oder auch gar nicht. Und schuld ist nicht die DB, sondern die bösen Bauarbeiter. Denn die bauen an den Gleisen zwischen Riesa und Priestewitz nicht in dem Zeitplan, in dem sie bauen sollen. Da auch die Hilfe vom Servicepersonal, das teilweise überforderter ist als die Reisenden selbst, ausbleibt, sind die Fahrgäste mal wieder ganz auf sich allein gestellt. Bleibt nur zu hoffen, dass auch alle da ankommen, wo sie hin wollten. So, nun schnell zum nächsten Absatz, damit ich meinen Zug noch schaffe. Kommt ja gerade nur alle drei Stunden!

Heiko Hettich hat die Nase voll. So voll, dass er eines Morgens aus seinem Bett aufspringt und eine Petition verfasst: für mehr Lehrer an Sachsens Schulen. Denn Stundenausfall ist auch bei seinem Sohn Peter längst zur Normalität geworden. Hettichs eigens aufgestellte Statistik stellt dem sächsischen Bildungssystem ein Armutszeugnis aus: über 20 Prozent Stundenausfall am Werner-Heisenberg-Gymnasium im Februar dieses Jahres. Das Kultusministerium sieht das natürlich völlig unproblematisch. „Ein bedauerlicher Einzelfall“, meint Sprecher Dirk Reelfs. Eine Aussage, die wohl hallendes Gelächter durch die Wohnzimmer Riesaer Eltern treibt. Die müssen bloß in die Hausaufgabenhefte ihrer Kinder schauen, um zu sehen, wie häufig dieser „Einzelfall“ wirklich ist. Vielmehr sollte hier von einer chronischen Erkrankung des Bildungssystems gesprochen werden. Seit Jahren plagt sich Sachsen nun schon mit dieser Krankheit, teilweise fiel in der Vergangenheit am Heisenberg-Gymnasium monatelang der Französischunterricht aus – natürlich eine Ausnahmeerscheinung. Deswegen dürfen Sie, liebe Eltern, schon jetzt gespannt sein, was das Kultusministerium zu sagen hat, wenn der „Einzelfall“ schon bald wieder auftritt. Glücklicherweise bekommt das Ministerium jetzt eine Verschnaufpause: Die Sommerferien stehen vor der Tür. Vielleicht haben die für Bildung verantwortlichen Damen und Herren danach bessere Ausreden zu bieten – oder sie liefern endlich Lösungen.

Im idyllischen Städtchen Strehla gibt es gleich drei Märkte. Das hat fast den Charakter einer Metropole, wer hätte das gedacht! Und wäre ich ein besserer Humorist, hätte daraus auch ein grandioser Witz werden können. Den Stoff bietet das Namenswirrwarr um Strehlas Zentrum der Macht zumindest. An zwei Häusern hängen alte Straßenschilder mit der Aufschrift: „Marktplatz“. Die modernere Beschilderung sagt jedoch: „Markt“. Und um den Spaß perfekt zu machen, führt ein Unternehmen seine Adresse unter dem Titel: „Am Markt“. Während die drei verschiedenen Adressen bei Auswärtigen wohl für reichlich Verwirrung sorgen, behalten immerhin die Strehlaer ihre Seelenruhe. Ist auch egal, wie das Dingens mitten in der Stadt heißt, Hauptsache es ist endlich mal wieder was los.

Diese Woche kann wohl kaum abenteuerlicher werden.