Von Mandy Schaks
Jeder Schritt ist eine schweißtreibende Angelegenheit. Selbst auf dem Dach des Erzgebirges weht kaum ein Lüftchen. „Doch, doch“, sagt Roman Kristof und lacht. „Wind ist da, wenn auch nur schwach.“ Schließlich hat der Chef der Wetterwarte Zinnwald den Hauch nicht nur gefühlt, sondern gemessen. Das Ergebnis ist aber tatsächlich nicht der Rede wert.


Die Luft hat sich in den letzten Tagen aufgeheizt. Kein Wunder. Sie strömt geradewegs von Afrika ins Osterzgebirge. „Wir hatten schon den vierten Tag in Folge einen Sommertag“, sagt Roman Kristof. Für Zinnwalder Verhältnisse beachtlich. Denn die Quecksilbersäule muss da mindestens auf 25 Grad Celsius klettern. Obwohl gestern Vormittag schon ein komisches Gemisch in der Luft lag. Der heiße Wind aus Afrika muss nämlich ein Tiefdruckgebiet queren, das über dem Atlantik hängt. Das schaufelt die Luft aus dem Süden rüber und bringt Feuchte mit. Den Rest zieht sie sich aus dem Mittelmeer. Dadurch stieg die Luftfeuchte gestern auf ungewöhnliche rund 70 Prozent. Das war mehr als das Doppelte im Vergleich zu vergangenen Tagen. Zum Platzen schwül.
Nur einem kann die drückende Hitze nichts ausmachen. Es scheint sogar, als hätte er sich dieses Wüsten-Wetter bestellt. Denn er hat die passende Antwort darauf: Gerrit Curcio, deutscher Hotelbesitzer mit italienischen Wurzeln, schlug neben dem „Alten Zollhaus“ in Neuhermsdorf ein marokkanisches Königszelt auf und kann dort bei angenehmen Temperaturen bis zu 40 Gäste bewirten. Das Zelt ist ein Original aus dem afrikanischen Wüstenstaat, versichert Curcio. Es heißt deshalb Königszelt, weil früher damit die Könige verreisten. „Das machen sie bis heute so“, weiß der Hotelmanager. Auch wenn die Könige ihr edles Haupt inzwischen nachts vielleicht doch lieber in einem Luxushotel betten, schlagen sie immer noch zusätzlich ein Zelt in der Nähe auf. Denn sie wissen offenbar die Annehmlichkeiten bis heute zu schätzen. „Es ist innen nicht so warm wie draußen“, erklärt Curcio die natürliche Klimaanlage. Außerdem lassen sich Seiten des Zeltes öffnen, damit auch etwas frischer Wind durchwehen kann.
Seine Gäste sollen sich in Neuhermsdorf aber rundum wie bei Königs fühlen. Deshalb reiste auch noch ein befreundeter Koch aus Marokko an. Houssine Dakhamat brachte gleich noch seine Schwester und Nichte mit, im Gepäck jede Menge Gewürze aus der fernen Heimat und Rezepte, damit sie nun auch echte marokkanische Gerichte wie Couscous oder Tajine im Osterzgebirge auftischen können. Curcio glaubt, damit der Region mal etwas anderes bieten zu können. Er hat das Land selbst schon bereist und bezeichnet die marokkanische Küche als süß-scharf, in der vor allem Zimt, Mandeln, Rosinen und getrocknete Pflaumen eine Rolle spielen. Die Mannschaft bleibt bis zum 20. Juni in Neuhermsdorf, dann bereitet sie sich auf den Ramadan vor, die Fastenzeit, in der gläubige Muslime 30 Tage lang zwischen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang auf Speisen und Getränke verzichten. Bis dahin sollen die Neuhermsdorfer Köche die Spezialitäten draufhaben und von den Marokkanern den Kochlöffel übernehmen. Denn Curcio will das Königszelt bis Ende August stehen lassen. „Wir haben damit schließlich einen Riesenaufwand betrieben“, sagt er.
Die Chancen, dass es allen Wettern gewachsen ist, stehen diesmal nicht schlecht. Denn das frühere Zelt, unter dem seit 2011 im Sommer Sandskulpturen am Landhotel „Altes Zollhaus“ gebaut wurden, ist bei einem der letzten Unwetter davongeflogen und kaputt. Damit waren ein paar Tausend Euro futsch. „Ich kann doch nicht jedes Jahr ein Zelt kaufen“, sagt Curcio. Seinem Freund in Marokko, der dort zwei Hotels besitzt, tat das leid. Als Curcio voriges Jahr heiratete, schenkte der Marokkaner ihm ein Königszelt. Das muss doch halten!