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Ein Hotelier sprengt die Stadtkasse

Mit seiner Klage kippte er die Kurtaxe. Steigt jetzt die Grundsteuer? Eine Analyse.

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Von Bettina Klemm

Hotelier Thomas Rieß konnte das Ergebnis kaum fassen. Er hatte mit Unterstützung des Hotel- und Gaststättenverbandes Dehoga gegen die Kurtaxe in der Stadt Dresden geklagt. Gestern nun hat das Sächsische Oberverwaltungsgericht in Bautzen die Satzung für die Kurtaxe für unwirksam erklärt. Die fünf Richter unter Leitung von Michael Raden ließen nicht einmal eine Revision zu.

Damit müssen die Gäste ab sofort keine 1,30 Euro Kurtaxe mehr bezahlen. „Ich bin sehr überrascht, dass das Urteil so eindeutig ausgefallen ist“, sagt Rieß. Er hatte es vorgezogen, in seinem Gutshof Hauber in Tolkewitz die Gäste zu betreuen, als nach Bautzen zur Verhandlung zu fahren. Vor Gericht kämpften die Anwälte Mario Viehweger und Bernd Thiem gegen die Satzung.

Warum wollte Dresdenüberhaupt eine Kurtaxe einführen?

Mit den geplanten Einnahmen von etwa sechs Millionen Euro pro Jahr wollte die Stadt Löcher im Haushalt stopfen. Die Touristen sollten so am Unterhalt von elf städtischen Kultureinrichtungen beteiligt werden. Dazu gehörten zum Beispiel das Verkehrs- und das Hygienemuseum, die Dresdner Philharmonie und die Operette. Mit den Stimmen von CDU, SPD und Grünen hatte der Stadtrat im November 2013 die Satzung beschlossen. Sie wollten so eine Erhöhung der Grundsteuer verhindern.

Auf welcher Grundlage hatdie Stadt die Satzung beschlossen?

Das ist eine komplizierte Rechtslage. Weil Dresden jährlich rund zehn Millionen Touristen, davon vier Millionen Übernachtungsgäste hat, betrachtet sich Dresden als Touristenstadt. Sie beruft sich dabei auf das sächsische Kommunalabgabengesetz.

Warum erklärten die Richterdie Satzung für unwirksam?

Gegner der Kurtaxe, wie die FDP, hatten Schilder angebracht mit der Aufschrift Bad-Dresden. Das sei zwar etwas überhöht, treffe aber den Kern, so die Richter. Sie vertreten die Ansicht, dass Dresden nicht mit einem klassischen Kur- oder Erholungsort zu vergleichen ist. „Die Mehrheit der Touristen kommt nicht nach Dresden, um ins Theater Junge Generation oder in ein städtisches Museum zu gehen“, sagte Rechtsanwalt Bernd Thiem. Diese Einrichtungen dienten in erster Linie den Dresdnern.

Warum haben die Hoteliersgegen die Abgabe geklagt?

Die Hotelbranche findet es ungerecht, dass nur ihre Kunden zur Kasse gebeten werden. Sie hätten lieber eine Abgabe oder Steuer, die alle bezahlen müssen, die vom Tourismus profitieren – eine Fremdenverkehrsabgabe. Doch dazu kam keine freiwillige Einigung zustande. So wurde die Kurtaxe beschlossen. Dehoga-Vorsitzender Marco Bensen ist nun zwar erleichtert, dass die Kurtaxe gescheitert ist. „Aber die Probleme rund um die Finanzierung des Stadtmarketings sind nicht gelöst“, sagte er.

Warum wurde die Kurtaxe trotz der Dehoga-Klage überhaupt eingeführt?

Das Oberverwaltungsgericht hatte im Januar einen Eilantrag abgelehnt. Mit ihm sollte die Einführung der Satzung verhindert werden. Auf dieser Grundlage hat Dresden dann als erste Großstadt in Deutschland ab Februar die Abgaben gefordert. Im Vorfeld hatte das Innenministerium die Stadt bestärkt, dass die Kurtaxe ein Weg sei.

Die Meinungen gehen auseinander. Auch den Beteiligten von Stadt und Dehoga sowie den Zuhörern blieb zur gestrigen mündlichen Verhandlung ziemlich unklar, wie das Urteil am Ende ausfällt.

Welche Konsequenzen hat das Urteil für die Touristen und für die Stadt?

Jeder Gast, der die Kurtaxe entrichtet hat, kann sie nun zurückfordern. Dazu gibt es eine Frist von vier Jahren. Wie die Rückzahlung genau erfolgen soll, muss noch geklärt werden. Da die Stadt bisher rund 3,3 Millionen Euro Kurtaxe eingenommen hat, wären das im ungünstigsten Fall 2,5 Millionen einzelne Rückzahlungen. „Damit wird die Stadt zusätzlich auf einem Millionenbetrag sitzenbleiben“, rechnet Dehoga-Chef Bensen. Als Konsequenz für den Ausfall der Einnahmen und die möglichen Zusatzkosten hat die Stadtverwaltung gestern eine Haushaltssperre verhängt.

Wie reagieren nun Hoteliersund Stadträte auf das Urteil?

Das Urteil bringt Zweifel. SPD und Grüne warnten gestern vor schnellen Bewertungen. Die FDP, die stets gegen die Kurtaxe gekämpft hatte, fühlt sich bestätigt. „Dresden ist zwar eine Kunst- und Kulturstadt, aber eben keine Kurstadt“, sagte Fraktionschef Holger Zastrow. Weil Dresden durch die Kurtaxe sogar Kongresse verloren hat, wollen nun Tourismusverband und Hoteliers mit der Stadt über eine Tourismusförderung reden. Kommentar