Von Angelika Hoyer
Huldvoll schauen Otto Ludwig von Kanitz und dessen Frau Victoria Tugendreich herab ins Kirchenschiff. Die Porträts der beiden schmücken die herrschaftliche Loge. Hinter den Logenfenstern der Adelsfamilie verbirgt sich heute ein Kirchenschatz besonderer Art – die Kirchenbibliothek von Hainewalde. Im Rahmen einer AB-Maßnahme war der Raum zur Bücherstube umgebaut und mit neuen Regalen ausgestattet worden.
Den Grundstock für die Sammlung von Kirchenliteratur und Lexika hatte mit 100 Talern Otto Ludwig von Kanitz bereits vor 300 Jahren gelegt. Vom Stiftungsertrag wurde die Pfarrbibliothek immer wieder um neue Nachschlagewerke ergänzt. Die letzten Bücher, Handreichungen für den Kirchendienst, sind aus den Jahren 1964 bis 1967, die ältesten stammen aus dem 16. Jahrhundert. Buch für Buch nimmt derzeit Jens Steffensen zur Hand und gibt Stichworte, wie Autor, Sachgebiet und Titel, in den Computer ein. Er ist einer der drei Beschäftigten auf Zeit, die im Rahmen von 1,50-Euro-Jobs noch bis Juni den Buchbestand erfassen und katalogisieren. Eine Übersicht über den Hainewalder Buchbestand bekommt zum Beispiel die Christian-Weise-Bibliothek. So soll es Forschern und ganz speziellen Interessenten ermöglicht werden, bei Bedarf in solchen Schriften, wie einer hebräischen Bibel aus dem Jahr 1546 oder Werken zum Kirchenrecht nachzuschlagen. Auch für den Theologen Holger Engelbrecht ist die Pfarrbibliothek momentan ein Arbeitsplatz auf Zeit.
Er vermag nicht nur den ideellen Wert solcher Werke, wie einer hebräischen Bibel von 1546, einzuschätzen, sondern schlägt auch den Bogen vom allgemeinen Kirchenrecht früherer Jahrhunderte zu dem wohl bekanntestem Hainewalder Denkmal – der Kyawschen Gruft. Den Lebens und Todesumständen der Menschen, die dort ihre letzte Ruhe fanden, geht er nach. Auch diese Forschungen sind ein Teil des vom Pfarramt ins Leben gerufenen Projektes. So war etwa in früheren Jahrhunderten genau geregelt, wie ein öffentliches oder ein stilles Begräbnis zu verlaufen hatte.
Die Detailvorschriften reichten bis zur Anzahl der Kerzen und der Trauerkleidung. Als im Mai 1717 Victoria Tugendreich Kanitz starb, wurde sie mit einem Fackelzug in die zwei Jahre zuvor erbaute Gruft geleitet. auch die Kopien der Reden, die beim Tode der Herrin von Kanitz gehalten worden sind, hat sich Holger Engelbrecht aus Görlitz kommen lassen. „Wir überlegen, diese Dinge in einer kleinen Broschüre zusammenzufassen“, sagt er. Damit könnten für Besucher der Gruft oder Bauten entlang des ausgeschilderten Hainewalder Denkmalspfades die Erbauer und die damaligen Umstände erlebbar werden.
Denn Otto Ludwig von Kanitz und seine Frau haben in Hainewalde viele Spuren hinterlassen. Die Kirche, die bereits 1703 entstandene Kirchschule und das vor dem Friedhof gelegene Hospital gehören zu dem kleinen Ensemble.
In einem der Hospital-Räume findet später das Archiv der Kirchgemeinde Platz. Ein weiteres Zimmer wird gerade zu einer Art Gästeinformation umgebaut. Hier sollen Besucher Flyer oder Hefte vorfinden, die beispielsweise die Figuren der Kyawschen Gruft und deren Erbauer im zeitgeschichtlichen Zusammenhang erläutern. In der Kirche selbst werden bald Schautafeln über den Bücherschatz in der Herrschaftsloge informieren.