Von Jens Hoyer
Noch einmal hat sich Elisabeth Backofen auf dem roten Samt ihres Stuhls hinter dem großen Schreibtisch im Trauungszimmer niedergelassen. Oft hat sie dort gesessen in den vergangenen 33 Jahren und eine Zeremonie geleitet, die immer auf den gleichen Höhepunkt hinauslief. Auf ein „Ja“, laut oder leise gesprochen, mit fester oder mit vor Rührung versagender Stimme. Etwa 5500 Paare haben in diesen 33 Jahren im Rathaus geheiratet. „Ich habe mindestens 3500 Ehen davon geschlossen“, sagt Elisabeth Backofen.
Heute ist keine Hochzeit geplant, heute ist Elisabeth Backofens letzter Arbeitstag. Die 62-Jährige geht in den Ruhestand. Sie wird mit ihren Kollegen noch mit Sekt anstoßen und sich dann ohne viel Wehmut verabschieden. „Ich habe so viele Hobbys: Sport Sauna, Akkordeon spielen, meinen Garten und viele Freunde. Endlich kann ich mir dafür Zeit nehmen.“ Für Hochzeiten sind dann allein Irina Schädlich und Angelika Boettcher zuständig.
Elisabeth Backofen hat ihren Beruf gern ausgeübt. Er ist sehr vielseitig, wie sie meint. Die Trauungen sind dabei nur das sprichwörtliche Sahnehäubchen, gefragt ist vor allem Wissen ums Personenstandsrecht. Standesamt, das ist Verwaltungsarbeit. Es stellt Urkunden zu allen Wechselfällen des Lebens aus – Geburten, Ehen, Sterbefällen. Die Mitarbeiter führen die dicken Personenstandsbücher, die bis ins Jahr 1876 zurückreichen. Dort ist jeder eingetragen, der in Döbeln geboren wurde. „Die Bücher müssen immer auf dem neusten Stand sein“, sagte Elisabeth Backofen.
Sich auf den neusten Stand bringen, das mussten nach der Wiedervereinigung auch die Mitarbeiter. Die Verwaltungen bekamen das bundesdeutsche Personenstandsrecht aufgepfropft. „Am 3. Oktober 1990 hatte ich die erste Trauung nach neuem Recht und noch kein Blatt Papier dazu.“ Ein Kollege aus Bünden habe ihr damals aus der Patsche geholfen.
Es mutet schon etwas ungewöhnlich an, wie Elisabeth Backofen vor 33 Jahren ins Standesamt gekommen ist. Bis 1978 hatte sie noch im Elektromotorenwerk als ökonomischer Leiter und in der Lohnbuchhaltung gearbeitet. Mit dem Rathaus hatte sie in ihrer Position öfter Kontakt. „Ich hielt die Verbindung zur Stadtverwaltung in Wohnungsfragen.“ Im Herbst 1978 kam dann ganz überraschend eine Einladung zum damalige Bürgermeister Heinz Dittrich. „Ich wusste nicht, um was es geht“, sagte Elisabeth Backofen. Um Wohnungen jedenfalls nicht. Es ging darum, das Standesamt zu übernehmen. Edith Findeisen, die damalige Standesbeamtin, sei krank geworden. Die Stadtverwaltung suchte jemanden, der Ausstrahlung hat und eine Abteilung leiten kann.
Elisabeth Backofen hat im Gegensatz zu ihren Hochzeitspaaren nicht gleich ja gesagt, sondern sich eine Bedenkzeit erbeten. Das Ergebnis ist bekannt. Anfang Januar 1979 fing sie im Standesamt an. „Ich habe erst mal ein viertel Jahr reingerochen“, erzählt sie. Am 26. März kam dann die Bestellung zum Leiter des Standesamtes. Und das aus gutem Grund. Denn fünf Tage später stand die erste Trauung an. Sie sei sehr aufgeregt gewesen – und nervös ist sie auch tausende Trauungen später noch. „Man will es ja schön machen und jedes Paar hat etwas andere Vorstellungen.“
An den Freitagen und Sonnabenden sind die Stühle im Trauzimmer früher praktisch nicht kalt geworden. Oft gab es freitags fünf, an den Sonnabenden bis zu sechs Ehen zu schließen; 400 pro Jahr, erzählt Elisabeth Backofen. Die Leute heirateten schnell, die Scheidungen klappten reibungsloser. Manche Leute hat Elisabeth Backofen öfter wiedergesehen. Und heute? Flaute im Hochzeitszimmer. 93 Zeremonien gab es im vergangenen Jahr.
Ein paar Fragen sind noch zu beantworten: Wo hat Elisabeth Backofen eigentlich selbst geheiratet? Ganz klar, im Döbelner Standesamt. Vor 42 Jahren bei ihrer Vorgängerin Edith Findeisen. Und wie war das mit dem prominentesten Bräutigam, den Sänger und Schauspieler Dean Reed? Der heiratete seine Frau Wiebke schon 1973 im Döbelner Standesamt, auch bei Edith Findeisen. Bleibt noch die letzte Frage zu klären: Hat bei Elisabeth Backofen auch mal jemand „nein“ gesagt? Fast! „Einer hat ‚jein‘ gesagt, da musste ich noch mal nachfragen.“ Erst danach kam ein leises „Ja“. Lange gehalten habe diese Ehe aber nicht.