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Ein Mann dreht durch

Ein Sondereinsatzkommando des Landeskriminalamtes hat in der Nacht zum Dienstag einen Mann in Königshufen vorläufig festgenommen. Der Mann, der als gefährlich gilt, hatte angekündigt, sich umzubringen.

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Von Matthias Nicko

Es ist gegen 21.45 Uhr, als es bei Familie Humbsch am Montag unvermittelt klingelt. Vor der Tür im Erdgeschoss steht der freundliche Hausbewohner aus der dritten Etage. Der 32-Jährige ist an diesem Abend jedoch wie so oft betrunken und lässt seine Nachbarn wissen: „Ich will nicht mehr weiterleben.“

Bernd Humbsch beruhigt den verzweifelten Mann mit den Worten „Mach nicht so ‘n Mist!“ und alarmiert den Notarzt. Doch als die Kollegen von der Rettungstelle schließlich an dem Plattenbau in der Königshufener Antonstraße 46 eintreffen, löst sich drinnen ein Schuss. Die Ärzte verspüren nun wenig Lust, sich zu dem suizidgefährdeten Mann vorzuwagen.

Die Polizei hat zwischenzeitlich Informationen über den Mann eingeholt und stuft ihn als sehr gefährlich ein.

Astrid Humbsch erzählt trotzdem fast nur Gutes über den alkoholkranken Waffenbesitzer: „Man kann sich mit ihm unterhalten, seine Wohnung ist tipp-topp in Ordnung und er geht einer geregelten Arbeit nach.“

Freilich sei der Nachbar wegen seines gesundheitlichen Problems erst kürzlich in mehrwöchiger ärztlicher Behandlung gewesen – und zudem auf die Hilfe einer Betreuerin angewiesen.

Am Montag dann der Rückfall. Die Ankündigung eines Selbstmords. Und der Schuss. Es dauert nicht lange, da sind Polizisten und Spezialkräfte eines Sondereinsatzkommandos aus Dresden in Königshufen. Der lebensmüde Mann ist ihnen gut bekannt. Etliche schwere Delikte hat er auf dem Kerbholz. Unter anderem Geiselnahme, sagt der Polizeisprecher.

Um ihn aber nicht zu ängstigen und in seinem Suizidgedanken zu bestärken, beziehen die Beamten im Schutz des Kauflandes Stellung. Es wird 23 Uhr, es wird Mitternacht.

Hier, auf der Scultetusstraße, schlafen die meisten Anwohner schon. Zudem haben Familien wie das Ehepaar Hanke ihr Schlafzimmer „nach hinten raus“, merken von dem nächtlichen Einsatz also kaum etwas.

Ganz anders der im selben Eingang wie die Hankes wohnende Steffen H. Gegen 1 Uhr kehrt er von einem Kneipenbesuch zurück. Er nähert sich dem Ort des Geschehehens von der Aral-Tankstelle und findet die Scultetusstraße „voll mit Polizisten“. Dann erscheinen aus Richtung Friedhof „sieben bis acht Vermummte“. Steffen H. sieht sie „im Gänsemarsch und mit Lampen, Helmen, Schlagstöcken und Waffen“ auf die Antonstraße 46 zulaufen. Schließlich vernimmt der junge Mann den lauten Knall einer Tür und das „Hände hoch, Polizei!“

Dass sich jetzt, gegen 2 Uhr, in ihrem Haus etwas tut, bekommen auch die Humbschs mit. Denn sie hören auf der Treppe lautes Gepolter. Freilich: Die vorläufige Festnahme ihres Nachbarn zu dessen eigenem Schutz ist nichts gegen den Schreck, als vor Stunden der Schuss fiel. „Da bin ich regelrecht zusammengezuckt“, sagt Astrids Schwägerin Heidi Othmann-Humbsch.

„Waffendelikte bleiben dennoch Einzelfälle“, erklärt Uwe Horbaschk, der Pressesprecher der Politzeidirektion Görlitz. Dazu trägt sicher auch das zum 1. April verschärfte Waffenrecht bei. Allerdings: Für die Benutzung von Gas- und Signalwaffen innerhalb der eigenen Wohnung ist keine behördliche Erlaubnis vonnöten. Folglich brauchte der Königshufener keinen Waffenschein, als er in seinen vier Wänden den Abzug drückte.

„Schreckschusswaffen sind für jeden ab 18 Jahren frei verkäuflich“, sagt denn auch Dietmar Mittrach vom Waffengeschäft Depot 3 am Obermarkt. Und er fügt hinzu: „Belangen könnte man den Mann höchstens wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses.“

Aber dazu wird es die Staatsanwaltschaft Görlitz wohl nicht kommen lassen. Für Sprecher Sebastian Matthieu steht die Beantragung eines Haftbefehls jedenfalls „überhaupt nicht im Raum“. So zynisch es klingt: Auch ein Selbstmord mit einer der beiden gefundenen Pistolen wäre nicht strafbar gewesen.