„Meilenstein auf dem Weg zur 1.100-Jahrfeier“

Meißen. Soll sich die Stadt um die Ausrichtung einer Landesgartenschau bewerben? Dieses Thema ist in Meißen immer mal wieder im Gespräch. Um fundiert über Chancen und Risiken eines solchen Großprojekts debattieren zu können, hatte die Stadtverwaltung Ende vorigen Jahres eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben. Sie liegt nun vor. Der Meißner Bauunternehmer und Stadtrat Ingolf Brumm (Linke) hat seine Gedanken zu diesem Thema in einem Brief an seine Stadtratskollegen sowie an OB Olaf Raschke niedergeschrieben.
Was empfiehlt die Machbarkeitsstudie?
Die Besonderheiten unserer Stadt nennt die Studie als Ausschlussgründe. Aus meiner Sicht bieten sie aber vor allem Chancen. Ich nenne mal die topografische Lage einer hügligen relativ engen Flusslandschaft, keine großen Flächen am Stück, die für eine Schau herkömmlicher Art geeignet wären, die extrem komplizierte verkehrstechnische Infrastruktur, die historische Bebauung mit Resten einer Industriekulturlandschaft oder zahlreiche, sehr unterschiedliche Kleingartenvereine und Anlagen, eine Kulturlandschaft, die vom Weinbau, Landwirtschaft und Gartenbau geprägt ist, und schließlich die Traditionen der Porzellan-, Keramik- und Glasherstellung. Damit könnte Meißen eine Gartenschau präsentieren, die alle vorherigen um Längen schlägt.
Was schlagen Sie vor?
Meißen sollte sich unbedingt für eine der nächsten Gartenschauen bewerben. Für die Stadt bringt das gute Chancen, wenn die Bewerbung auch das hervorbringt, was wir damit bewirken wollen. Die Bewerbung könnte ein Meilenstein zur Vorbereitung unserer 1100-Jahr-Feier sein. Wann genau diese Schau dann stattfindet, ist aus meiner Sicht zweitrangig. Die Schau sollte in erster Linie alle Lebensbereiche unserer Stadt nachhaltig beeinflussen.
Wie genau?
Das Konzept muss weit über die sonst üblichen Grundideen hinausgehen. Die Gartenschau muss ein Teil des städtischen Lebens sein. Sie muss Erholungsort, aber auch ein Ort der Bildung, der Freizeit, der Kultur, Ökologie, des Verkehrs, der Landschaftsbewahrung und auch der Industrie- und Verkehrsgeschichte sein. Statt einer Gartenschau sollten wir eine Schau der Gärten präsentieren.
Welches Gebiet schwebt Ihnen vor?
Es sollte das gesamte Triebischtal vom Götterfelsen bis zur Mündung in der Elbe umfassen. In östlicher Richtung kann es sich über die Stadtparkhöhe und den Plossen erstrecken und den Siebeneichner Park, einschließlich Tierpark und Aritahain, mit einbeziehen. Ergänzt wird dieser Bereich noch durch die Schau-Wiederbelebung der Korbmacherei mit dem entsprechenden flussnahen Weidenanbau. Eingeschlossen wäre auch die Wiedererstehung der Aussichtpunkte am Kapellenweg und am Katharinenhof sowie die Durchforstung der Wälder und Parks im Goldgrund, Stadtparkhöhe und Park Siebeneichen mit Katharinenhof.
Im Triebischtal liegt auch der Kohleplatz, der zu einem Bürgerpark umgestaltet werden soll. Spielt das in Ihren Überlegungen auch eine Rolle?
Er soll Erholungs-, Freizeit-, Sport- und Bildungsort werden – ein Schulgarten und ein grünes Klassenzimmer für den angrenzenden Kindergarten und für die Triebischtalschule eingeschlossen. Ein aufgeweiteter Wasser-, Matsch- und Badebereich gehört genauso dazu wie die Einbeziehung der dort noch vorhandenen industrie- und verkehrsgeschichtlichen Zeitzeugen.
Wie sollte die Porzellan- und Keramik-Tradition Meißens dargestellt werden?
Das Gelände unterhalb vom Kohleplatz schließt die Porzellan-Manufaktur mit ein. Mit ihren Künstlern und Werken sollte sie das gesamte Stadtbild neu prägen. Wir sind Porzellan- und Keramikstandort – und das muss an jeder Ecke sichtbar werden. Hier könnten sich auch viele Bürger der Stadt in die Vorbereitung und Ausgestaltung einer Gartenschau mit einbringen. Eine Idee wären Wegweiser aus Porzellan, an deren Finanzierung sich die Meißner Bürger als Sponsoren beteiligen.
Was könnte eine Gartenschau in der Altstadt bewirken?
Möglich wäre eine Blumenschau in den Kellergewölben der Albrechtsburg, so wie sie bereits Anfang der 70er-Jahre schon einmal stattgefunden hat. Unter Einbeziehung der Manufaktur und weiterer Porzellanhersteller und Künstler der Region, aber auch mit den Geschäften „Sändig“-Bleikristall und Messer-„Köhler“ sollten die umliegenden Gärtnereien ihre Produkte präsentieren. Damit wäre auch der Bogen zum Burgberg mit Dom und dem Weinberg unterhalb der Burg geschlagen und die Besucher wären dann auch in der Stadt. Der zweite Aufzug zur Stadt und ein nun endlich mal durchgehender Weg um den Burgberg sind natürlich Bedingung. Unterhalb der Manufaktur wären dann noch der Nikolaipark und der Käthe-Kollwitz-Park aufzuwerten und in die Gesamtgestaltung mit einzubeziehen.
Über das Rauhental und den Müllerschen Weinberg wären noch die Themen Weinbau, Weinkulturlandschaft und vor allem auch Kleingartenvereinsleben mit eingeschlossen. Allein das historische Vereinshaus mit seinen Ausblicken und seiner Nähe zum Burgberg - einfach grandios. Abgerundet wird das Gelände mit der Wiedererstehung der Bismarckaussicht und natürlich die Einbeziehung der Bürgerstiftung mit Jahnhalle. Zu ergänzen wäre das Projekt noch mit Hahnemann und der Klosterruine, aber auch mit Themen zur Geschichte der Flusslandschaft mit Fischerei, Schifffahrt und Hochwasserschutz.
Die geografische Lage der Innenstadt begrenzt Möglichkeiten, den Verkehr günstiger zu gestalten und den alltäglichen Stau zu vermeiden. Ist das nicht ein starkes Ausschlusskriterium für Großereignisse wie eine Gartenschau?
Überhaupt nicht – wenn wir im Zuge der Vorbereitungen auch über eine Neustrukturierung des Verkehrs nachdenken. Das gesamte Gebiet von der Hohen Eifer bis zur Elbe, vom Rehbocktal bis Meisatal mit Burgberg und Innenstadt muss verkehrstechnisch völlig neu erschlossen werden. Ein durchzogenes Fahrrad- und Wandernetz mit Einkehrmöglichkeiten und Aussichtspunkten ist der eine Bestandteil. Der zweite wären Ideen für die neuen Alternativen wie Roller, Rikschas, aber auch kleine E-betriebene Fahrzeuge und Shuttlebusse auf E-Basis. Der gesamte Schaubereich sollte stundenweise komplett autofrei sein.
Das Gespräch führte Harald Daßler.
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