SZ +
Merken

Ein Pirnaer gab Anlass für die Reformation

Die Unfähigkeit der Kirche, die Krise zu überwinden, führte zur Spaltung der Christenheit.

Teilen
Folgen

Von Rudolf Hajny

Im Verlaufe des 15. Jahrhunderts hatte es bereits Versuche gegeben, die katholische Kirche „an Haupt und Gliedern“ zu reformieren. Sie scheiterten, weil die Päpste eine rücksichtslose Macht- und Familienpolitik betrieben und die Kirche mit ihren Gebrechen allein ließen.

Der Druck, Geld für Rom locker zu machen, erreichte 1515 seinen Höhepunkt mit der Ausschreibung eines neuen Ablasses, der mit höchst weltlichen Interessen verknüpft wurde: Der Erzbischof von Mainz und Magdeburg hatte für ein weiteres Amt 24000 Dukaten nach Rom abzuführen. Finanziert wurde da mit dem Ablassgeschäft.

Dieses Geschäft blühte, denn für die verängstigten Menschen war der Ablass wie eine Feuerversicherung: Versicherung im Diesseits gegen das Fege- und Höllenfeuer im Jenseits.

Der erfolgreichste Ablasshändler war der Dominikaner Johann Tetzel, der um 1465 in Pirna geboren wurde. Er hatte in Leipzig Theologie studiert, war Mönch des Dominikanerordens geworden und zum „Ketzermeister“ aufgestiegen. Bereits zwischen 1505 und 1510 hatte er sich als Ablassprediger bewährt und so gewaltigen Zulauf gehabt, dass er auf Marktplätzen predigen musste, weil die Kirchen die Menschen nicht fassen konnten. In Freiberg „schleppte er auf einen Ritt“ 2000 Gulden fort. In Görlitz predigte er in drei Wochen 45000 Gulden zusammen. Mit dem gängigen Werbespruch „So das Geld im Kasten klingt, die Seel‘ aus dem Fegfeuer springt“ vertrieb er auch den neuen Ablass. Theatralisch zog er hoch zu Ross in die Städte ein, von Glockengeläute und feierlichen Prozessionen empfangen. Die Menschen kratzten ihre Spargroschen zusammen, um gegen Geld ihr Seelenheil zu retten.

Das ging den wettinischen Landesherren bei aller Papsttreue zu weit. Sie verboten kurzerhand den Ablasskrämern das Betreten des Landes. Dabei war Herzog Georg der Bärtige, Herrscher über den albertinischen Landesteil, betont bemüht, seine Romtreue zu beweisen. In der Zeit des klösterlichen Niedergangs gründete er 1516 z. B. ein neues Kloster auf dem Königstein. Doch Bischof Johannes VI., der die gesellschaftlichen Realitäten nüchterner beurteilte, prophezeite auf seiner Burg Stolpen dem Kloster kein langes Leben: „Die raue böhmische Luft“, womit er die hussitische Lehre meinte, „wird es nicht alt werden lassen“. Er sollte Recht behalten.

1517 betrieb Tetzel in Sachsens Nachbarschaft seinen „Ablassschacher“, und Luthers Beichtkinder gingen von Wittenberg über die Grenze und kauften Ablassbriefe, die sie ihm triumphierend vorhielten. „Mit heiligem Zorn“ predigte der Mönch-Professor gegen den Ablass und Tetzel drohte, ihm die Zunge abschneiden zu lassen. Da war für Luther das Maß voll. Er forderte zur Diskussion auf und veröffentlichte 1517 am Vorabend zu Allerheiligen 95 Thesen gegen den Missbrauch des Ablasses.

Was sonst als „Mönchgezänk“ abgetan worden wäre, zündete in der aufgeheizten Unzufriedenheit wie ein Funke im Pulverfass. Die Reformation kam wie eine Lawine ins Rollen, die katholische Kirche zerbrach, zahllose „Glaubenskriege“ wurden geführt, und Zehntausende mussten wegen ihres Glaubens die Heimat verlassen .