Von Marcus Scholz
Oberland. Martin Noack kommt perfekt ausgerüstet zum großen Streckentest des neuen Radweges zwischen Löbau und Halbendorf. Löbaus Radwegewart trägt Helm, Fahrradhandschuhe und Radlerhose. Nur seine offenen braunen Sandalen scheinen nicht so ganz verkehrssicher zu sein. Aber der erfahrene Radler weiß damit umzugehen und drückt direkt verbal aufs Tempo. „Lass uns losfahren, ich habe nur bis 15 Uhr Zeit“, sagt er. In diesem Moment springt der Zeiger der Uhr am Löbauer Rathaus auf Zehn. Vom Rathaus aus soll es losgehen, quer durch die Stadt, bis hin zum Start der neuen Radlerstrecke, nahe der B 178 in Löbau. „Es gibt viele Varianten, wie man am besten dorthin gelangt“, sagt Noack. Eine davon will er mit seinem blauen Drahtesel abfahren. Noch nicht einmal richtig in die Pedalen getreten, rollen ihm die ersten Schweißperlen über die Stirn. Die Sonne meint es gut an jenem Vormittag. Dann geht es los, quer durch das Gewusel auf dem Löbauer Altmarkt, durch die Sporgasse, vorbei am Amtsgericht Richtung Promenadenring. Über Post- und August-Bebel-Straße führt die Tour schließlich an der Villa Sanssouci vorbei auf die Hartmannstraße. Durch das kleine Wäldchen hinter dem Geschwister-Scholl-Gymnasium fährt Radel-Martin, so wie Noack auch genannt wird, dann am Haus Schminke entlang auf den Radweg an der Laubaner Straße. Von dort sind es nur noch wenige Meter zum Start. Auf Höhe Raststätte Klose führt ein holpriger Feldweg, sicher nicht ideal für jeden Fahrradtyp, zur frisch asphaltierten und 15 Kilometer langen Radlerautobahn. „Noch nicht mal einen Meter auf der Bahn gefahren und dabei schon so viele Sehenswürdigkeiten entdeckt“, resümiert Noack, der jetzt in seinem Element ist. Der Streckencharakter sei hügelig, aber würde niemanden vor große Probleme stellen, sagt der Experte.

Das ist der neue Radweg
Bevor die Tour aber so richtig losgehen kann, nimmt er noch einen kräftigen Schluck aus der Wasserflasche. Dann schwingt sich Radel-Martin auf den Sattel und tritt zwei-, dreimal ordentlich in die Pedale. Jetzt rollt es, wenngleich die Strecke am Anfang langgezogen und leicht bergauf verläuft. Zwischen ausgetrockneten Feldern hindurch und von schattenspendenden Bäumen gesäumt, schlängelt sich der Radweg etwas abseits von Oelsa durch die Landschaft. Die Beschilderung in diesem Bereich der Strecke fehlt noch völlig. Aber viele Wege führen bekanntlich nach Rom. „Auf die Strecke zu gelangen, das ist auch ohne Schilder machbar und nicht so schwierig“, sagt Noack. Unweit des ehemaligen Tanklagers in Oelsa, verringert er kurz die Geschwindigkeit. Denn dort wird an der Brücke nach Großdehsa noch gebaut. Rot-weiße Warnbaken und Bagger stehen herum. Radler haben dadurch aber keine Nachteile. Die Strecke ist frei. Nach ungefähr drei Kilometern Fahrt, ist Radel- Martin in Großdehsa angekommen. Dort ändert sich das Bild neben der Radstrecke, die mitten durch das kleine Dorf verläuft. Links und rechts stehen bunte Häuschen. In einigen Gärten stehen Swimmingpools mit bläulich schimmernden Wasser, die Wiesen scheinen frisch gemäht und leuchten trotz Trockenheit in saftigem Grün.
Durch die Birkenallee
Viel los ist auf der Strecke an jenem Vormittag nicht. Erst auf der ehemaligen Bahnbrücke kurz vor Kleindehsa taucht ein Gesicht aus dem dort sehr schattigen Teil des Weges auf. Es ist das von Manfred Seifert. Der 83-jährige Senior ist allerdings nicht mit dem Fahrrad, sondern in hellem T-Shirt und kurzen Hosen zu Fuß unterwegs. Das Radeln sei für ihn mittlerweile zu gefährlich, sagt er. Er habe früher aber selbst aktiv Radsport betrieben. „Der neue Radweg ist eine super Sache und ist Sommer wie Winter sehr gut befahren“, meint Seifert. Ein Großteil der Strecke ist nämlich schon länger fertiggestellt. Dann wünscht er eine schöne Weiterfahrt. Noack tropfen derweil die Schweißperlen vom Gesicht und sein helles, quietschgrünes T-Shirt färbt sich von Minute zu Minute immer dunkler. Die Hitze mache ihm aber nichts aus und die 15 Kilometer bis nach Halbendorf und wieder zurück seien ein Klacks für den erfahrenen Radler. „Ich sitze früh, mittags und abends auf dem Fahrrad“, sagt er. Also geht es weiter. Über Kleindehsa und Halbau zieht sich die Strecke durch eine Allee von Birken hindurch. Die schwarz und weiß gescheckten Bäume werfen eindrucksvolle Schattenmuster auf die Fahrbahn. Plötzlich geht es bergab und etwa zwei Kilometer durch bewaldetes Gebiet in das Cunewalder Tal hinein. Am Streckenrand stehen Bänke, perfekt für ein sommerliches Picknick. Radtouristen erleben im Cunewalder Teil des Weges ein wahres Eldorado. In regelmäßigen Abständen weisen rote Schilder auf touristische Attraktionen hin. Egal ob auf Deutschlands größte Dorfkirche, den Miniaturenpark für Umgebindehäuser oder auf das Freibad, was direkt an der Strecke liegt.
Gestärkt auf die nächste Etappe
Mittlerweile, es ist elf Uhr, haben sich auch andere Radler auf die Piste getraut. Radel-Martin grüßt jeden einzelnen mit einem freundlichen „Hallo!“. Einen einheitlichen Gruß unter Radlern gebe es nicht, sagt er, während er Gärten mit Apfelbäumen und gelb schimmernde Sonnenblumenfelder passiert. Noack greift abermals zu seiner Wasserflasche und nimmt einen kräftigen Hieb, viel ist nicht mehr drin. Schlimm ist das aber nicht, denn Gaststätten und Imbisse gibt es an der Strecke genug. Die Cunewalder Fleischerei Hempel ist besonders kreativ vorgegangen. Auf einem Schild, mit einem japsenden Radler darauf, wirbt sie für ihren Laden. Der liegt nur 50 Meter abseits der Radstrecke, unweit der Cunewalder Gemeindeverwaltung in Richtung Weigsdorf-Köblitz. „Das Schild steht erst seit zwei Wochen. Es kommen aber viele Radler, um sich bei uns zu stärken“, sagt Pia-Madelaine Hempel. Mit neuer Energie ist es dann auch nicht mehr weit bis zum Ende der Piste in Halbendorf.
Radfahrer kommen weiterhin nur wenige entgegen. Am Ende des Weges wartet aber bereits der nächste Fußgänger. Peter Vogel aus Halbendorf kommt gerade vom Bäcker und transportiert in seinem beigenen Stoffbeutel frische Brötchen. „Kann ich helfen?“, fragt er Wegewart Noack, ohne zu wissen, dass der sich sowieso bestens auskennt. „Mit dem Radweg hat Cunewalde etwas richtig Tolles auf die Beine gestellt“, lobt der grauhaarige Senior die Gemeinde, die sich zusammen mit Löbau stark für den neuen Radweg eingesetzt hat. Die Menschen entlang der Strecke scheinen freundlich und aufgeschlossen. Viel Zeit zum Plauschen hat Radelpapst Noack aber nicht. Er muss schließlich 15 Uhr bei seinem Termin sein. Ein letzter Schluck aus der Wasserflasche und es geht wieder zurück Richtung Löbau. Die Landschaft entlang der Strecke bleibt die selbe, nur das Profil ändert sich. Der Rückweg ist etwas anstrengender, schließlich geht es fast acht Kilometer am Stück leicht bergauf. Mit einem Fahrrad in gutem Zustand ist das aber kein Problem. Viel mehr nerven dagegen die vielen Vorfahrtsstraßen auf dem Radweg durch Cunewalde. Tempo verringern und das nach links und rechts Schauen verhindern ein flüssiges Fahren.
Ein Plus für die Region
Nach insgesamt zwei Stunden gemütlicher Fahrt nähert sich Noack dann wieder Löbau an. Außer Puste ist er nicht, denn mehrmals in der Woche fährt er den neuen Weg ab. Die Temperaturen von über 30 Grad haben am Ende aber dennoch an ihm gezehrt. Trotzdem ist Radel-Martin stolz auf die neue Attraktion in der Oberlausitz. „Wir haben hier das dichteste Radwegenetz Deutschlands. Mit der neuen Strecke ist nochmals viel für die Attraktivität der Region getan worden. Viele Touristen sind begeistert“, sagt er und macht sich nach einer kleinen Erfrischung auf zum nächsten Termin.