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Ein Roter, der eigentlich ein Grüner ist

Bernhard Saß ist mit 82 Jahren der wohl älteste Kandidat für einen Gemeinderat. Aber darum geht es dem Mückaer nicht.

Von Steffen Gerhardt
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Bernhard Saß ist sehr der Natur verbunden. Einer der schönsten Plätze für ihn ist in Mücka der Mühlteich – auch bei Regen.
Bernhard Saß ist sehr der Natur verbunden. Einer der schönsten Plätze für ihn ist in Mücka der Mühlteich – auch bei Regen. © André Schulze

lich nicht? Das wäre die treffendere Frage an den 82-Jährigen, der am 26. Mai in den Gemeinderat Mücka gewählt werden will. Ganz gleich, welches Thema man anschneidet, der Mückaer hat immer eine Antwort parat, meist gewürzt mit einer Episode aus seinem Leben. Und da gibt es viele. Nun ja, mit 82 Jahren hat man viel erlebt. Aber was treibt den wohl ältesten Kandidaten im Landkreis an, sich noch einmal für Die Linke aufstellen zu lassen?

„Es sind zwei Hauptpunkte“, erzählt er. „Zum einen, Mücka mit all seinen Strukturen zu erhalten. Das heißt, die Abwanderung zu minimieren, und bessere Bedingungen für junge Familien zu schaffen, damit Mücka kinderfreundlich bleibt. Niedrige oder besser gar keine Elternbeiträge zähle ich dazu. Zum anderen, die Natur zu erhalten und mehr nach ökologischen Gesichtspunkten zu handeln.“ Das sagt er nicht nur als Gemeinderat, sondern auch als Bürger von Mücka. 

Seit 1990 lebt er mit seiner zweiten Frau Tamara in Mücka, saß schon drei Legislaturperioden im Gemeinderat des Ortes und engagiert sich ehrenamtlich in vielen Gremien. „Zu meinem 80. Geburtstag hatte ich schon verkündet, kürzer zu treten. Aber was willst du machen, wenn du gebraucht wirst und eine Bitte nur selten abschlagen kannst?“, fragt er sich auch zwei Jahre später noch. Zwar ist Bernhard Saß den Roten treu geblieben: SED, PDS, Die Linke. „Aber eigentlich bin ich der Grüne“, sagt er von sich. Nicht durch die Parteibrille gesehen, sondern in Verbundenheit mit dem Grünen in der Natur. 

Seit 22 Jahren ist er ehrenamtlicher Naturführer im Biosphärenreservat und ein gefragter Pilzfachmann. Er freut sich darüber, dass der einst mit viel Brimborium eingeweihte Naturlehrpfad von Mücka nach Kreba-Neudorf zumindest auf der Krebaer Seite seine Wiederauferstehung durch Pflanzaktionen hat. „Das wünsche ich mir auch in Mücka!“ Gleichzeitig schüttelt der Naturliebhaber mit dem Kopf, wie leichtsinnig mit Steuergeldern umgegangen wird. „Für neue Projekte ist viel Geld da, aber für den Fortbestand und die Nachhaltigkeit fehlen die Mittel beziehungsweise werden die Gemeinden damit alleine gelassen. Der Lehrpfad ist das beste Beispiel.“

Was macht der Rentner sonst noch so, wenn er nicht in der Natur aktiv unterwegs ist? „Ich spiele Keyboard, und das nicht nur für mich, halte Dia-Vorträge über meine früheren Reisen, bin im Heimatverein sehr aktiv, beginne jeden Tag mit Frühsport, laufe auch mit 82 noch sehr gerne, darf es nur nicht übertreiben, sonst meldet sich mein Herz – und dann sind noch meine vier Kinder und zehn Enkel, die ebenso Anspruch auf ihren Opa haben.“ Das nächste große Familientreffen wird kommendes Jahr sein, denn dann wohnen Tamara und Bernhard Saß 30 Jahre in Mücka.

Nach Mücka sei er 1990 zufällig gekommen, nachdem es in Niesky mit der Anstellung als Berufsschullehrer nicht klappen wollte. Da schlichen ihm noch die Auswirkungen seines elfseitigen Brandbriefes an das Zentralkomitee der SED von 1987 nach. In diesem hat er die Schönfärberei, Unehrlichkeit und die auf Parteilinie getrimmten Medien in der DDR an den Pranger gestellt. „Danach war ich politisch nicht mehr tragbar“, resümiert Saß. Das hatte zur Folge, dass seine Dozententätigkeit an der Offiziershochschule Kamenz von einem Tag auf den anderen beendet war und er seine Uniform abgeben musste; er aus dem Kulturbund austreten sollte und nicht mehr Mitglied im Elternrat sein durfte. Als er das erzählt, durchfährt ihn auf einmal ein Lächeln: „Das ist schon grotesk. Ein Jahr zuvor wurde ich noch mit einer Medaille des Ministeriums für Volksbildung geehrt und nun kam der Rauswurf ...“

Mit der Wende erfolgte seine Rehabilitierung und Bernhard Saß wurde gefragt, ob er nicht der 1. Sekretär für die Kreisleitung der in PDS umformierte SED werden möchte. „Ein Jahr habe ich das im Ehrenamt gemacht.“ Zudem beteiligte er sich am Wende-Dialog, der Ende 1989 regelmäßig im Nieskyer Gasthaus „Stern“ stattfand.

Über mehrere berufliche Zwischenstationen in Sproitz und Jänkendorf kam der Ingenieur für Funktechnik schließlich nach Mücka und wurde Internatsleiter an der landwirtschaftlichen Berufsschule am Ortsausgang. Als diese vom Bildungsträger Modus übernommen wurde, war Bernhard Saß Lehrausbilder für CNC-Maschinen. Da wohnte er bereits mit Frau Tamara in einem der 1954 gebauten Siedlungshäuser der MTS. Sein Haus hat noch Kohleheizung und im Kachelofen der Stube steht seine Thermosflasche mit Bohnenkaffee. „Die koche ich mir früh und sie reicht bis nachmittags“, erzählt er, während er die Keksschachtel auf den Tisch stellt. „Nur Kaffee ist nicht bei mir.“ So hält es Bernhard Saß mit vielen Dingen in seinem Leben.

Die Kandidaten für Mücka

CDU: Torsten Gerald Mielsch, Uta Astrid Waschnik.

Freie Wählervereinigung Mücka: Ute Rustler, Mike Nitschke, Sven Mitschke, Frank Heublein, Sven Rustler.

FDP: Peter Brückmann, Thomas Hoppenz, André Lange, Steffen Nagel, Frank Schneider, Yvonne Schneider.

Die Linke: Andreas Herberg, Bernhard Saß.  

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