Er könnte ein so ruhiges Leben haben: geregelte Arbeitszeit, festes Gehalt, keine Sorge um Aufträge. So war es, als der heute 43-jährige Michael Schramm in einer Großdruckerei arbeitete. Doch dieses Leben war ihm auf die Dauer nichts. Schon zu DDR-Zeiten kündigte er seinen Job, heuerte in einem Dresdner Nobel-Hotel an. „Die hatten eine eigene Druckerei und moderne Maschinen aus dem Westen“, sagt er.
Doch auch dort hält er es nicht lange aus. Durch seine Frau, die aus Lommatzsch stammt, kommt der Dresdner in die kleine Stadt, arbeitet in einer noch kleineren Druckerei.
Nicht nur drucken
Später macht er sich selbstständig, hat heute ein kleines Unternehmen, ist Chef von neun Beschäftigten. Lommatzscher Druckpflege Hobein Druck GmbH nennt sich das Unternehmen, doch Schramm legt Wert darauf, dass es sich nicht um eine bloße Druckerei handelt. „Es ist doch heute nicht mehr so, dass in einer Druckerei nur noch gedruckt wird“, sagt er. Die kleine Firma bietet alles an, von der Idee bis zum fertigen Produkt, liefert von der Visitenkarte bis zum fertigen 120-seitigen Farbkatalog alles, beschäftigt Grafiker, Designer, Mediengestalter. „Unsere Arbeit setzt nicht erst an der Druckmaschine an“, sagt er. Doch das kleine Unternehmen spürt die Krise. Nicht die Wirtschaftskrise, die trifft die Firma bislang nicht so hart. Vielmehr der krisenhafte Strukturwandel in der Druckindustrie. Der setzte gerade ein, als sein Neubau in Lommatzsch fertig war. „Jeder besitzt heute einen Computer, kann darauf verschiedene Sachen gestalten, die früher einer Druckerei vorbehalten waren“, sagt Schramm. Über die Qualität solcher Sachen will er nicht urteilen, und Schramm möchte auch nicht jammern. „Das ist ein Problem, dem sich alle derartigen Betriebe stellen müssen“, sagt er.
Von der Hand in den Mund
Und dennoch: Das kleine Unternehmen lebt praktisch von der Hand in den Mund. Der normale Auftragsvorlauf in der Branche beträgt 14 Tage. „Ich weiß heute noch nicht, was wir übernächste Woche drucken werden“, sagt der 43-Jährige. Der Vorlauf sei kurz, auch bei langjährigen Kunden. Da ist der Druck des Lommatzscher Amtsblattes mit 4 200 Exemplaren zwar nur ein kleines Zubrot, aber immerhin ein sicherer und langfristiger Auftrag. So etwas freilich ist eher die Ausnahme.
Dabei sieht Schramm für seine Branche ein großes Potenzial. „Werbemäßig liegen wir hier doch im Dornröschenschlaf“, sagt er. Und ist optimistisch, dass bei vielen Unternehmen der Erkenntnisprozess wächst, wie wichtig gerade in der Krise Werbung für sie ist.
Dass er sich selbstständig gemacht hat, bereut der Vater zweier Kinder nicht. „Ein ruhiges Leben wäre für mich nichts. Dazu bin ich viel zu sehr Macher“, sagt er und bereitet seinen nächsten Kundentermin vor.Jürgen Müller