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Ein Stück Glanz bleibt hängen

Sachsens Ministerpräsident Tillich ist von seiner „Investorenpflege“ in Japan zurück. Über den Sinn solcher Politikerreisen sprach die SZ mit Wirtschaftsförderer Peter Nothnagel.

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© Robert Michael

Herr Nothnagel, lohnt es sich für Sachsens Wirtschaft, wenn der Ministerpräsident Auslandsreisen macht?

Ja, aus mehreren Gründen. Hochrangige Politiker wirken als Türöffner. Die Wirtschaftsförderung Sachsen organisiert auch Unternehmerreisen ohne Politiker. Aber mit ihnen bekommt man beim Gastgeber so etwas wie eine Chefarzt-Behandlung.

Die Gastgeber bieten dann mehr an?

Ich war heute zum vierten Mal bei einer japanischen Elektronik-Firma, aber bisher nahm ihr großer Chef nicht an den Treffen teil. Zum heutigen Tillich-Besuch kam er und stellte auch wirklich interessierte Fragen an die mitgereisten Unternehmer. Wenn diese das nächste Mal herkommen, werden sie hier besser behandelt als ohne solche Vorbereitungen. Ein Stück „Glanz“ bleibt gewissermaßen an ihnen hängen.

Gibt es Staaten, in denen Firmen nur mit Staatsbesuchen Erfolg haben?

In Saudi-Arabien haben wir einen sächsischen Medizintechnik-Hersteller vorgestellt, der ohne die Begleitung von Wirtschaftsminister Morlok nicht in das zuständige Ministerium gekommen wäre. Im arabischen Raum und vielen asiatischen Staaten wie China und Indien ist so etwas wichtig. Auch in Russland müssen wir ab und zu mit dem Ministerpräsidenten oder dem Wirtschaftsminister kommen.

Aber in Japan müsste es doch genügen, wenn die Geschäftsleute anreisen?

Japan ist ein demokratisches, aber sehr hierarchisches Land. Wenn man wirklich wichtige Leute treffen möchte, muss man ebenfalls wichtige Leute – gern Politiker – mitbringen.

Auf der Japan-Reise wurde eine neue Produktionsfirma für Sachsen angekündigt, aber nur mit bis zu 50 Arbeitsplätzen. Lassen sich mit diesem Aufwand keine größeren Neuansiedlungen anwerben?

Die Zeit der Ansiedlungen mit tausend Arbeitsplätzen ist im Wesentlichen vorbei. Japanische Investoren muss man lange umgarnen. Aber wenn sie sich entschieden haben, sind sie treu. Der Autozulieferer TDDK hat sich mehrmals vergrößert. Ein anderer, Takata, hat inzwischen drei Standorte in Sachsen. Das angekündigte Unternehmen Jade Sensortechnik fängt mit zehn Angestellten an, aber es wird wachsen.

Ein Ziel der Reise war die ländliche Region Yonezawa, nicht weit von Fukushima. Ist es eine Strategie, für Sachsen eher abgelegene Partner zu suchen?

Durchaus auch. Wir wollen nicht nur dorthin gehen, wo alle hingehen. Auch in den USA haben wir erlebt, dass unsere Gesprächspartner an einer kleinen Universität sogar an einem Sonntag Zeit für uns hatten – das wäre in New York wohl nicht passiert. Aber manchmal wird man auch vom eigenen Glück überrannt. Koreas Präsidentin kommt in den nächsten Tagen mit 80 Unternehmern nach Deutschland und besucht auch Dresden.

Lassen sich die bisherigen rund 30 japanischen Investoren in Sachsen nutzen, um weitere anzuwerben?

So etwas machen wir, allerdings sollten wir mit ihnen nicht gerade bei ihren Wettbewerbern werben. In anderen Staaten ist es auch schon üblich – zum Beispiel ist ein indischer Investor im Raum Freiberg gerne bereit, in seiner Heimat zu erzählen, dass man als Inder in Deutschland und speziell Sachsen Geschäfte machen kann.

Gibt es für sächsische Firmen neue Chancen in Japan, seit das Land wegen der Reaktorkatastrophe seine Kernkraftwerke abgeschaltet hat?

Ganz bestimmt, aus zwei Gründen: Viele japanische Unternehmen haben seitdem den Wunsch nach einem zweiten Standort außerhalb. Und für Erneuerbare Energien haben wir neben unseren etablierten Unternehmen auch Spezialisten, zum Beispiel Heliatek mit ihrer Produktionsmethode für Solarzellen aus organischem und künftig transparentem Material. Sächsische Firmen haben auch viel Erfahrung mit der Dekontamination von radioaktiv belasteten Böden, wegen der Wismut-Sanierung.

Ist es im Ausland nicht einfacher, für den Standort Deutschland als für einzelne Bundesländer zu werben?

Das machen unsere Kollegen von der GTAI in Berlin, sie rühren die Werbetrommel für uns mit. Wir spinnen mit ihnen einen guten Faden, das ist nicht bei allen Bundesländern so. In Japan sind wir einmal im Jahr mit der GTAI gemeinsam, aber zum Beispiel beim Thema Halbleiter sind wir die Kings in Deutschland.

Welchen Staat sollte sich Tillich als nächsten vornehmen?

An einer Türkei-Reise mit Unternehmern konnte er voriges Jahr wegen des Hochwassers in Sachsen nicht teilnehmen, aber dieses Land empfehle ich sehr für Wirtschaftskontakte. Nun reist Wirtschaftsminister Morlok auf die Industriemesse World of Industry, wo die WFS im Auftrag des Wirtschaftsministeriums sächsische Unternehmen mit einem Gemeinschaftsstand unterstützt. Auch China, Korea und immer wieder Russland sind Staatsbesuche wert.

Gespräch: Georg Moeritz