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Ein „Vollpfosten“ zu viel im Rathaus

Ein 32-Jähriger bestreitet, einen Wachmann beleidigt zu haben. Sein Zorn und seine Lautstärke sprechen jedoch dagegen.

Von Alexander Schneider
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An der Pforde des Dresdner Rathauses kommen Manchmal Leute mit seltsamen Vorstellungen. Im März ist ein Streit an der Pforte eskaliert. Ein 32-Jähriger stand wegen Beleidigung vor dem Amtsgericht Dresden.
An der Pforde des Dresdner Rathauses kommen Manchmal Leute mit seltsamen Vorstellungen. Im März ist ein Streit an der Pforte eskaliert. Ein 32-Jähriger stand wegen Beleidigung vor dem Amtsgericht Dresden. © Archiv/Christian Juppe

Dresden. Der Prozess gegen einen Bautechniker aus Dresden ist der klassische Fall von: Weniger wäre mehr gewesen. Am Bau mag man seine Untergebenen mit Lautstärke umstimmen können, in einem Gerichtssaal jedoch ist das die falsche Strategie.

Im März dieses Jahres soll der 32-Jährige gereizt ins Rathaus am Külz-Ring marschiert sein, um ein teures Bußgeld anzufechten. Die Frist war wohl knapp, was den Zorn des Angeklagten allerdings noch befeuert haben muss. Laut Anklage habe er einen Bediensteten am Empfang fortwährend geduzt und als „Vollpfosten“ beleidigt. Dafür gab es 200 Euro Geldstrafe per Strafbefehl. Auch dagegen legte der Mann Einspruch ein, sogar fristgemäß. Am Montag fand sein Prozess am Amtsgericht Dresden statt.

Er habe den Pförtner nicht als Vollpfosten beleidigt, sei dafür aber selbst von diesem mehrfach als „Idiot“ bezeichnet worden. „Das müsste doch auch strafbar sein, oder?“, frage der Angeklagte, um dann schnell hinterher zu schieben, „also wenn ich ihn tatsächlich als Vollpfosten beleidigt hätte, was ich nicht habe:“

Führerschein weg, Job weg: Frust

Der Mann habe sich nicht als Mitarbeiter einer Security-Firma zu erkennen gegeben und sein Namensschild zugehalten. Er habe gedacht, der Mann sei Rathaus-Angestellter. Und mit einem Rathausangestellten habe er doch kein Problem. „Warum hätte ich ihn beleidigen sollen?“

Wie der 32-Jährige berichtete, habe er seinen Führerschein abgeben müssen, weshalb er im Januar auch seinen Job als Bauleiter verlor. Ein Bußgeld über 3.000 Euro, das damit im Zusammenhang stehe, genauer wurde der Angeklagte nicht, habe er nun im Rathaus anfechten wollen. Zu Hause schriftlich sei seine Sache nicht. Es sei sein gutes Recht, den Widerspruch gegen das laufende Bußgeldverfahren mündlich im Rathaus zu Protokoll zu diktieren: „So steht’s in der Rechtsbelehrung.“

Die Rathaus-Mitarbeiter an der Pforte hätten das jedoch verhindert, sagte er. Ja, gab er zu, er sei schon frustriert gewesen, weil es der letzte Tag der Widerspruchsfrist gewesen sei. Dann sei die Polizei gekommen und man habe ewig herumdiskutiert.

Der 56-jährige Zeuge schilderte die Sache anders. Er sagte, der Angeklagte sei bekannt gewesen, weil er schon mehrfach dagewesen sei. Und er sei wieder laut gewesen. Eine Kollegin habe sich gleich ins Backoffice, also nach hinten, verzogen. Er habe dem 32-Jährigen einen Zettel zum Ausfüllen gegeben. „Wegen Corona“ sei das so geregelt worden. Der Mann hätte das nur ausfüllen müssen, „ wollte er aber nicht“.

Stattdessen habe der Angeklagte verlangt, dass er selbst den Widerspruch ausfüllen solle. „Das ist nicht unsere Aufgabe“, so der Zeuge. Schließlich habe er den Mann vor die Tür gebeten. Weil er auch dort laut gewesen sei, habe er schließlich die Polizei alarmiert, damit nicht noch andere Besucher gestört würden. Ja, er habe auch „Vollpfosten“ gesagt. Es komme eher selten vor, dass Leute an der Rathauspforte derart laut würden. Sie seien geschult, in solchen Situationen zu deeskalieren: „Aber in manchen Situationen kann man das nicht mehr.“

Richterin: "Sie sind sehr aufbrausend"

Auch die Richterin hatte ihre Mühe, den Angeklagten ruhig zu halten. Immer wieder hat er in die Vernehmung des Zeugen hineingequatscht. Doch als er dann mit seinem Fragerecht an der Reihe war, kam nicht mehr viel. Seine Fragen waren von der Art wie: „Warum geben Sie nicht zu, dass Sie mich als Idiot beleidigt haben?“

Der Wachmann sagte, er habe den Angeklagten nicht beleidigt. Einen Belastungseifer hatte er aber eher nicht, er antwortete etwa auf Frage des Staatsanwaltes, er könne sich nicht erinnern, vom Angeklagten geduzt worden zu sein.

Staatsanwalt und Richterin hatten keine Zweifel an den Angaben des Zeugen. Seine Aussage sei glaubwürdig. „Sie sind sehr aufbrausend“, sagte die Richterin, als der Zeuge gegangen war. „Ja, das sagen manche Leute“, antwortete der Mann, nun etwas ruhiger. Er habe ein Problem mit etwas trägen Menschen. Immerhin ist der 32-Jährige nicht vorbestraft, den Prozess hatte er sich ohne einen Verteidiger zugetraut.

Der Staatsanwalt war auch nach der Beweisaufnahme überzeugt, dass der Angeklagte den Pförtner mindestens einmal als "Vollpfosten" beleidigt hatte. Nachdem er nun eine Geldstrafe von 300 Euro gefordert hatte, wurde er noch aufgebrachter. „Jetzt wird es ja noch teurer! Das wurde mir nicht gesagt“, schimpfte er. Dann sagte er, er ziehe seinen Einspruch zurück und sprang auf, um zu gehen.

Das verhinderten die beiden Justizbediensteten jedoch freundlich, indem sie dem Querulanten sagten, er möge sich doch noch einmal kurz Platz nehmen, bis alles vorbei sei. Die Uniformierten hatten vorsorglich im Saal gesessen. Offenbar war schon vor dem Prozess klar, dass der Angeklagte aufbrausend reagieren könnte.

Immerhin schaffte es die Richterin noch, die Einspruchsrücknahme mit der Zustimmung des Angeklagten ins Protokoll zu diktieren. Dann begleiteten die Wachtmeister den schimpfenden Angeklagten aus dem Gericht.

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