Von Matthias Nicko
Geschlagene fünf Jahre liegt nun schon französisches Flair über dem Untermarkt. Denn im „Le Trou Normand“ zaubert der normannische Koch Ludovic Chedeville kulinarische Genüsse aus Provence, Burgund oder Bretagne auf die Teller. Doch für seinen Chef, Lutz Meinecke, gab es in Görlitz bislang keineswegs nur rosige Zeiten.
Deshalb hat er sich Anfang dieser Woche drei Abende lang bei 150 Stammgästen bedankt. Mit einem Vier-Gänge-Menü auf Kosten des Hauses und Akkordeonspielern zur Umrahmung. „Denn die Gäste haben es uns erst ermöglicht, so lange am Markt zu sein.“ Selbst aus Königswinter bei Bonn reisten sie zu dem Jubiläum an.
Lutz und seine kellnernde Frau Melitta Meinecke haben sich durchgebissen. Seit 1998 stemmen sie wie fast alle Görlitzer Gastronomen ausnahmslos Sechs- und Sieben-Tage-Wochen. „Zumindest hat es schon zu einer Stadtführung gereicht“, erzählt der 44-jährige Lutz.
In Erinnerung bleiben aber auch die vielen Durststrecken. So verlief zwischen März und September 2002 ein Bauzaun vor dem Lokal. „Das brachte uns im letzten Jahr einen Gewinnrückgang von 46 Prozent gegenüber 2001 ein.“
Meinecke hat daraus gelernt: Bei den derzeitigen Proben zum Historienspiel „Der verräterischen Rotte Tor“ auf dem Untermarkt trennt Schauspieler und Gäste des Restaurants kein Gitter mehr. Allerdings waren für diesen kleinen Erfolg „zweiwöchige Gespräche mit dem Theater“ vonnöten.
Nun gereicht dem Wirt die Inszenierung des Tuchmacheraufstandes von 1527 sogar zum wirtschaftlichen Vorteil. Denn die Besucher des Le Trou strömen zahlreicher denn je auf die Terrasse, wenn abends die Theaterleute anrücken. Freilich: Um die Terrassengenehmigung zu erhalten, bedurfte es vor eineinhalb Monaten zäher Verhandlungen mit dem Rathaus.
Regelrecht Steine in den Weg legte ein Mitarbeiter der Stadtverwaltung dem fleißigen Steuerzahler im März 1998: Lutz Meinecke war erst ein paar Tage in Görlitz und versuchte vergeblich, hier seinen Hauptwohnsitz anzumelden. Aus allen Wolken fiel der Gastronom aber erst im Juni jenes Jahres. Denn da drohte man ihm plötzlich mit Strafe, würde er die eben noch verweigerte Hauptwohnung nicht umgehend anmelden.
An die Neiße kam die Familie seinerzeit wie die Jungfrau zum Kind: Ein Berliner Bauunternehmer hatte Meinecke 1997 gefragt, ob er sich vorstellen könne, in Görlitz zu arbeiten. Im Haus am Untermarkt 13, das der Geschäftsmann kürzlich erworben hatte.
Meinecke leitete damals in der Hauptstadt ein Französisches Restaurant, in dem er zuvor als einer von drei Ostberliner Sommeliers (Weinkellnern) tätig gewesen war. Doch die Entscheidung war schnell gefallen, als ihn und Frau Melitta bei der Hausbesichtigung in Görlitz Kreuz- und Tonnengewölbe empfingen. Was würden das für prächtige Gasträume werden!
„So ein Zug fährt im Leben nur einmal an dir vorbei“, sagt Meinecke heute. War er einst „mit vier Kindern und ohne Geld“ in die Stadt gekommen, so gehört ihm das Gebäude am Untermarkt seit einem halben Jahr sogar. Das ausgebaute Dachgeschoss und den Weinkeller eingeschlossen, wohnen und arbeiten die Meineckes auf sieben Etagen.
Freilich: Wenn sie in diesen Frühsommertagen ins Bett fallen, ist es draußen schon taghell. „Manchmal kommt man einfach nicht mehr in den Schlaf.“