Von Peter Redlich
Genau 206 Tage sind vergangenen, seitdem die neuen Bahnsteige im November in Radebeul eröffnet wurden. Nur die Fahrstühle funktionierten nicht. Viele hatten geschimpft. Ganz wütende Bahnfahrer sogar Zettel an die Fahrstuhltür in Radebeul-West geheftet und die Bahn, die Telekom und die Stadtoberen gescholten. Mit Recht. Denn immer wieder hieß es nur lapidar: Es fehlt die Notrufschaltung, und die muss die Telekom herstellen. Sieben Monate nur Hinhalten, ohne dass sich etwas veränderte.


Doch seit dem Pfingstwochenende scheint der ganze Ärger vergessen. Am Freitag waren noch die Prüfer da und haben die Fahrstühle technisch für den Tüv abgenommen, sagt Klaus Riedel, der verantwortliche Bahnmanager für den Streckenausbau Dresden bis Leipzig. Dann gab es einen Funktionstest und seitdem funktionieren die Fahrstühle in Kötzschenbroda, Weintraube und Radebeul-Ost. Riedel selbst hatte es nicht verstanden, warum die Notrufschaltung nicht zustande kam. „Wir mussten uns bei der Telekom genauso anmelden wie jeder andere Bürger“, sagte er. Für die noch im Bau befindlichen Bahnsteige in Trachau und Pieschen wolle er das jetzt bereits jetzt veranlassen, damit dort dann die Fahrstühle 2016, zur Bahnsteiginbetriebnahme, auch funktionieren.
„Ein Wunder“, nennt es Seniorin Heidrun Lange mit sarkastischem Unterton. „In unserer Gesellschaft gibt es doch alles. Wie kann es dann denn sein, dass es zwei große deutsche Konzerne nicht hinbekommen, dass so eine scheinbar einfache Fahrstuhlschaltung funktioniert?“, fragt sie empört, um dann gleich mal auszuprobieren, wie es sich problemlos jetzt rauf- zum Bahnsteig und wieder runterfahren lässt.
Ganze 23 Sekunden dauert eine Fahrt, vom Drücken auf die Fahrstuhlholetaste bis zum Aussteigen. Zwischendurch hört der Fahrgast per Ansage „Achtung, die Tür schließt“, „Tür öffnet“, „Ausstieg zu Bahnsteig 1 und 2“ oder umgekehrt abwärts „Ausgang zur Stadt“.
Heidrun Lange ist zufrieden. „Mein Mann ist krank. Die Treppe wäre er nicht hochgekommen. Wir mussten bisher Taxi fahren“, sagt sie.
Gestern Morgen kam der neue Fahrstuhl erstmals auch vielen Bürgern, die zur Arbeit fuhren, genau richtig. Mancher hielt einen Moment inne, um sich zu überzeugen, dass er jetzt wirklich auf und ab fährt. In einer Stunde nutzten etwa 120 Bürger den Fahrstuhl. Vor allem jene, die mit Kinderwagen, mit großen Gepäckstücken oder mit dem Fahrrad zum oder vom Bahnsteig wollten. Allerdings testete auch mancher nur mal so, ob das Wunder Aufzug nun echt Realität ist.
Leise surrt der Elektromotor. Der Aufzug hängt sicher an dicken Bändern. Aus der Kabine ist gute Sicht nach draußen. Die Bedientasten sind mit etwa sechs Zentimetern im Durchmesser übersichtlich angeordnet und in geringer Höhe für jeden bedienfreundlich, auch für ältere Bürger und Kinder, die zur Schule fahren. Ein kleines Wunder, das eigentlich normal sein sollte.