Von Axel Krüger
Arndt Philippson tut verschwörerisch. „Schreiben Sie bloß nicht meinen Namen in die Zeitung, die von der Steuerfahndung sind hinter mir her.“ Aber dann besinnt er sich eines kürzlich gegebenen Fernsehinterviews und wird jovial. Womöglich stimmt ja auch der Name nicht, aber was macht das schon, die Begeisterung für die kleinen Loks und Wägelchen ist echt. Und das ist, was zählt bei der heute, um 10 Uhr, in der Stadthalle beginnenden Modell- und Bahnausstellung. Bereits zum fünften Mal stehen in der Neißestadt die Signale auf Grün für die Miniaturen von allem, was da fährt, fliegt und schwimmt. Doch bevor die Zuschauer – die Anfahrtswege von einigen hundert Kilometern in Kauf nehmen – sich bewundernd im Saal und auf den Rängen tummeln dürfen, müssen die immensen Anlagen in mühevoller Kleinarbeit aufgebaut werden. Es riecht nach Club-Zigaretten und Männerschweiß. Blaue Mechanikerkittel und Polyersterpullover bestimmen das Bild, und so mancher Fluch schwirrt durch die Luft. „Wo iss´n der Gelenkwagen 2502?“, zischt es aus Richtung „Neustädter Bahnhof“. Die Dresdner Straßenbahnlandschaft, vor 27 (!) Jahren in Angriff genommen und seit vergangenem Jahr vollständig, ist eine der Attraktionen dieser Schau. Und da darf der „2502“ nicht fehlen.
Modellbahnbetreiber sind Perfektionisten, ihr Ehrgeiz lässt Ungenauigkeiten nicht zu. Der Vergleich mit den harmlos-familiären Dachbodenspielern entlockt ihnen nicht selten ein verächtliches Schnauben. Häufig sind es wohl gerade zerstörte Familien, die die Männer – tatsächlich ist bei unserem Besuch keine Frau zu entdecken – sich immer intensiver ihrem Hobby widmen lassen. Unser Begleiter Arndt Philippson bestätigt die Vermutung. Der Görlitzer Eisenbahnfreund ist meist allein stehend. „Sonst“, sagt er, „muss die Frau schon viel Verständnis für die zeitraubende Beschäftigung aufbringen.“
„Nicht nur Verständnis“, meint auch Bernhard Nitschke. Der wie Käptn Iglu mit Seemannsbart und Pfeife durch den Saal wandernde Veranstaltungsleiter der Stadthalle Görlitz kennt das Völkchen, das hier so eifrig aufbaut, schon seit vielen Jahren. „Die Frau geht in Sack und Asche, das Geld geht in die Anlage“, überspitzt er augenzwinkernd. In der Tat scheinen die meisten Versammelten nicht von den Fleischtöpfen der Gesellschaft zu stammen. Eine leicht beschürzte Western-Lady vor dem „Black-Hill-Saloon“ vertritt dann doch noch das schwache Geschlecht. Oder das, was die Errichter der Anlage vor der beeindruckenden Prärie-Kulisse sich darunter vorstellen.
In hunderten von Kartons ruhen die Träume dieser großen Kinder, sorgfältig verpackt und beschriftet, um den Überblick zu bewahren. Schaltpulte, die dem Bahnhof von Chicago zur Ehre gereichen würden, warten unter Abdeckplanen auf ihren Einsatz. Mit feinen Pinselchen werden die empfindlichen Teile vom Staub befreit. Triebwagen und Beiwagen, Hecht und Tatra werden vorsichtig auf die Schienen gehoben von ehemaligen Elektroingenieuren, Eisenbahnmechanikern und Straßenbahnfahrern. Nicht selten sind sie arbeitslos. In ihren Modelllandschaften sind sie wichtig, kein Zug würde schnaufen ohne ihr Geschick. Wenn am Ende alles ineinandergreift, ist das ein Höhepunkt. Entgleisungen kommen selten vor.