Von Christoph Pötzsch
Auf dem Weihnachtsmarkt an der Frauenkirche bin ich ihm begegnet, dem Josef aus dem fernen Land. Er steht unweit der Krippe und den Schafen, die alle Städter so niedlich finden, weil für sie die Schafe, Josef und Maria und die Krippe mit dem Jesuskind irgendwie zusammengehören.
Nur hat mein Josef so gar nichts Biblisches, denn nach mehreren Glühweinen muss er sich schon sehr auf seine Worte konzentrieren. Ich grüße ihn freundlich und frage nach seinem Namen. Da durchsucht er mit seinen kalten Händen die Taschen seiner Jacke und reicht mir einen blauen Pass in arabischer Sprache. Das Passfoto gleicht dem jungen Mann vor mir, und nun lese ich auch seinen Namen: Yusef. Und Yusef erzählt mir seine Lebensgeschichte.
Vor einigen Jahren hat er in einem
Urlaub seine deutsche Freundin kennengelernt und ist ihr verliebt nach Deutschland gefolgt, um mit ihr hier in Dresden eine Familie zu gründen. Voller Stolz sagt Yusef: „Ich bin Vater! Ich haben kleine Sohn und Tochter.“ Doch im nächsten Moment erstarrt sein Gesicht und wütend spricht er nur noch vom Trinken, von Provokation und davon, dass er sterben will. Völlig irritiert frage ich nach dem Grund und höre die Geschichte eines jungen Mannes, der voller Liebe und Hoffnung auf ein gutes Leben nach Dresden kam, der als Ausländer keine Arbeit fand und dessen Frau sich nach wenigen Jahren zu schämen begann. Sie spürte immer deutlicher die Ablehnung der Mitmenschen gegen Ausländer. Sie schämte sich für ihren eigenen Mann, der mal ihre große Liebe war, und sie schämte sich für die beiden gemeinsamen Kinder.
Yusef hat alles verloren, er hat keine Familie mehr, er vermisst seine kleinen Kinder, und er kann nicht zurück, denn in Marokko wird er verachtet. Ein Mann, der Frau und Kinder verliert, verliert auch seine Ehre. „Ihm bleiben nur das Trinken und das Grab“, sagt Yusef.
Das macht mir Angst. Menschen wie Yusef sind verlorene Seelen. In ihrem Herzen fehlt die Liebe, und sie sind leicht zu gewinnen für die Bedrohung anderer Menschen. Doch ich will sie nicht, diese Angst in mir. Und ungeachtet der Blicke der vielen Menschen um uns herum, umarme ich meinen Yusef. Ich umarme ihn lange, um ihm etwas von meiner Liebe und meiner Herzenswärme abzugeben. Und ich umarme ihn, um Mut zu machen und ihm zu zeigen, dass es noch Menschen gibt, die an ihn glauben.
Da weint mein Yusef und verneigt sich vor mir mit einem arabischen Herzensgruß. Ich erlebe in diesem Moment ein Stück von der Weihnachtsgeschichte, spüre die gemeinsame Hoffnung und den Weihnachtsfrieden.